Pritzker Preis geht nach China

2025 geht die wichtigste Architekturauszeichnung der Welt an Liu Jiakun und damit – nach Wang Shu 2012 – zum zweiten Mal nach China. Die Bilanz: Von den 48 Vergaben erhält ihn nun zum 42. Mal ein einzelner Mann. Obwohl man beim Pritzkerpreis wohl die Hoffnung aufgeben muss, dass er in naher Zukunft die tatsächliche Diversität des Architekturschaffens abbilden wird, trifft man beim 69-jährigen Architekten aus Chengdu in der Provinz Sichuan auf ein inspirierendes, überraschendes und hierzulande bisher unbekanntes Werk.

Architektur habe die Macht, menschliches Verhalten zu formen und Atmosphären zu schaffen, die ein Gefühl von Gelassenheit und Poesie vermitteln, wird Liu Jiakun auf der Pritzker-Website zitiert. Poesie ist ein wichtiges Stichwort für ihn. Nachdem der 1956 geborene Liu Jiakun sein Architekturstudium in Chongqing 1982 abgeschlossen hatte, betätigte er sich – ernüchtert von der Berufsrealität – erst einmal als Schriftsteller. Die Ausstellung eines Studienkollegen im Shanghai Art Museum aber entfachte seine Leidenschaft für den Beruf neu. Er erkannte, dass auch die Architektur ein «Medium für persönlichen Ausdruck» sein und sie auch von der ästhetischen Norm abweichen darf. 1999 gründete er sein Architekturbüro und realisierte mit seinem Team seitdem 30 Projekte in China. Sie reichen von Einraum-Museen, über Universitätsbauten bis hin zu multifunktionalen Stadtstrukturen. Er schaffe neue Architektur, «die zugleich ein historisches Dokument, ein Stück Infrastruktur, eine Landschaft und ein bemerkenswerter öffentlicher Raum ist», schreibt die Pritzker-Jury.

Ein eindrückliches Beispiel für einen derartigen öffentlichen Raum ist das West Village in Chengdu: ein durchlässiger Mega-Hof aus Beton mit Büros, Gewerberäumen und Sportanlagen für Kinder und Erwachsene. Mit ihr hat er im dichten Stadtgewebe einer rasant wachsenden Metropole eine poröse Architektur geschaffen, die viel zulässt und immer wieder umprogrammiert werden kann. Auf der Website der Pritzker Foundation sind neben der fotografischen Dokumentation von Liu Jiakuns Projekten auch Filme veröffentlicht.

— Jasmin Kunst
© Qian Shen. Die Rampen des West Village können für vieles gebraucht werden – zum Beispiel zum Spazieren, Joggen oder Fahrradfahren.
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