Die verkehrsreichste städtische Strasse der Schweiz, sie könnte zu einem lebenswerten Ort werden: Mit Fussgängerstreifen, Lichtsignalen, Alleebäumen und breiten Trottoirs. Die Rede ist von der Zürcher Rosengartenstrasse, die heute von 56'000 Fahrzeugen pro Tag befahren wird (in der Vergangenheit waren es bis zu 80'000). Im vergangenen Jahr schickte die Zürcher Stimmbevölkerung ihren Ausbau mittels des «Waidhaldentunnels» bachab – nun legen Verkehrsfachleute aus dem betroffenen Quartier zusammen mit der Zeitschrift Hochparterre einen – durchaus realistischen! – Vorschlag zur radikalen Umgestaltung dieser Expressstrasse vor. Ein Städtebaustammtisch (am 25. Januar) und ein Sonderheft von Hochparterre stellen diese bahnbrechende Projektidee zur Diskussion.
Der Umbau ist machbar und kostengünstig. Statt eines milliardenteuren Tunnels werden nur Trottoirs verbreitert, Bäume gepflanzt und Fussgängerstreifen markiert, wo die Bevölkerung heute noch durch düstere Unterführungen hindurch muss. Einschneidend sind jedoch die Auswirkungen auf die Verkehrskapazität: Der Umbau führt zu einer Reduktion des Individualverkehrs um die Hälfte – das sind dann immer noch enorme 30'000 Fahrzeuge pro Tag.
Reduktion um 50 Prozent! Das klingt geradezu subversiv. Aber es ist die einzig wirksame Strategie im Klimawandel. Die Stadt Paris baut derzeit ihre grössten Plätze und Verkehrsachsen mit dieser Zielsetzung um (vgl. unser Heft Grand Paris (wbw 7/8–2020), und sie ist nicht die einzige in Europa. Die Schweiz hinkt hinterher. Der Strassenverkehr als mit Abstand grösster CO2-Verursacher hat seine Emissionen in den letzten 20 Jahren nicht im Mindesten reduziert – ganz im Gegensatz zu den Gebäuden und der Industrie. Das zeigen die eidgenössischen Statistiken. Es herrscht dringender Handlungsbedarf, der Verkehr muss weniger werden!
Nirgends ist ein klimaverträglicher Umbau so einfach wie in den Städten. Denn hier sind die Distanzen kurz, das ÖV-Netz dicht und das Velo oder die eigenen Füsse fast immer eine Option. Entlang dicht bebauter Vekehrskorridore wie der Rosengartenstrasse könnten Tausende aufatmen, wenn Lärm und Abgase abnehmen und wenn Vogelgezwitscher in den Alleebäumen den Verkehr wieder zu übertönen vermag. Dank breiter Trottoirs und guter Fussgängerquerungen können sogar Gewerbe und Gastronomie wieder Fuss fassen und Kinder unbegleitet nach draussen gehen.
In einer einmaligen Schildbürgerei haben die Zürcher Stimmberechtigten 2017 eine Garantie der heutigen Verkehrskapazität auf allen Hauptstrassen in die Kantonsverfassung geschrieben. Spur- und Kapazitätsabbau ist damit verboten – das Rosengarten-Projekt verfassungswidrig. Trotzdem muss es weitergedacht werden, denn jener Artikel steht im offenen Gegensatz zu den Klimazielen, denen sich die Schweiz verpflichtet hat und widerspricht damit höherem Recht. Und Verkehrswüsten inmitten der Städte und Dörfer gibt es überall in der Schweiz. Ihren Anwohnern gibt das Rosengarten-Projekt wieder Mut. Dem freiwilligen Planerteam mit Paul Romann, Erich Willi, Peter Hotz, Simone Brander, Josef Estermann und Köbi Gantenbein gebührt Dank für ihr Vorpreschen.
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Mehr zum Städtebau-Stammtisch am 25. Januar.
Das Hochparterre-Sonderheft zum Thema erscheint Mitte Januar.