SIA LHO 2020 – viel WEKO, wenig Wind

Auf die neue Dekade hin hat der SIA seine bewährten Leistungs- und Honorarordnungen für Architektinnen und Fachplaner, also die SIA LHO 102, 103, 105 und 108, neu aufgelegt. Das haben mittlerweile alle Anwender erfahren. Was aber Wenige wissen, ist warum. Was wir wissen: Ende 2014 unterzog der SIA die Leistungs- und Honorarordnungen 102, 103, 105 und 108 einer sanften Pinselstrich-Renovation. Auf Druck der WEKO aber mussten sie bereits 2018 überarbeitet werden. Resultat war eine zweite Auflage der SIA LHO 2014. Darin wurden einzelne «Grundsätze der Vergütung» (Art. 5) geändert oder aufgehoben und insbesondere die Pauschalierungs-Empfehlungen für Planerteams und GPs gelöscht. Zudem wurden der Art. 6 zur «Honorarberechnung nach dem effektiven Zeitaufwand» und Art. 7 zur «Honorarberechnung nach den aufwandbestimmenden Baukosten» in die neuen sogenannten Kalkulationshilfen (z.B. SIA 102-K 2018) verbannt, natürlich nicht ohne das praktische Zeitaufwandmodell vorher Meridian-gespickt zu verwässern. Mit der überarbeiteten «WEKO-Version 2018» wollte sich aber niemand so richtig anfreunden, weshalb sie kaum in die Verträge übernommen wurde; und dies, obwohl der SIA in seinen Musterverträgen deren Übernahme empfahl.

Neustens gibt der SIA wieder neue Musterverträge (Ausgabe 01.01.2020, nach 01.11.2018 und 01.07.2019) heraus. Man beachte, dass in der 2020er-Fassung die Übernahme der neuen Leistungs- und Honorarordnungen, Ausgabe 2020, empfohlen wird, was zumindest hinsichtlich der allgemeinen Vertragsbedingungen des SIA deutlich ist (vgl. Ziff. 2.1 Mustervertrag SIA 1001/1). Betreffend den Leistungsumfang (und den ganzen Rest) findet sich keine eindeutige Bestimmung. Dies wiederum dürfte, eine klare abweichende Parteimeinung aussen vor gelassen, auch auf eine Übernahme der LHO 2020 hinauslaufen. So oder anders: Wenn Sie nun, sei es als Einzelplaner, Generalplaner, Subplaner, Totalunternehmer oder Bauherr, die neuen Musterverträge verwenden, müssen Sie damit rechnen, dass Sie auch die neuen Leistungs- und Honorarordnungen, Ausgabe 2020, übernehmen, ob Sie diese nun gelesen haben oder nicht. Deshalb fragt sich, was denn neu daran ist.

«Neu» heist nicht besser

Mit der neuen SIA LHO 2020 sah sich der SIA «gezwungen», nun ganz auf das Zeitaufwandmodell zu verzichten (TEC21 48-49/2019, S. 41). Die Bestimmungen über die Honorarberechnung nach den Baukosten fielen komplett weg. Als Honorierungsarten nennt Art. 5.3 SIA LHO 2020 noch die Honorierung nach effektivem Zeitaufwand, die Pauschale (= Festpreis ohne Teuerung) und (aller guten Dinge bleiben drei) die Globale (= Festpreis mit Teuerung). Ob dies sinnvoll ist, habe ich bereits in meinem Artikel «Mehr Markt oder mehr Willkür? SIA-Honorarordnung LHO unter Druck der Wettbewerbskommission» (in: werk, bauen + wohnen 3–2018) angezweifelt. Mit dem Zeitaufwandmodell geht eine praktische Kalkulationshilfe und wohl auch Markttransparenz verloren.

Da die Branche aber gleichwohl eine Orientierungshilfe zur Absteckung des absehbaren Aufwands benötigt, ist eines absehbar: Die Leistungs- und Honorarordnungen SIA LHO 2014 (102, 103, 105, 108) werden uns wohl noch länger erhalten bleiben. Denn es ist den Parteien eines Planervertrags freigestellt, diese Ordnungen (oder zumindest Art. 7) in ihren Vertrag zu übernehmen. Dies gilt auch für die öffentliche Hand – und zwar auf allen Ebenen. So versteht es sich auch, weshalb die KBOB in ihren Honorarempfehlungen 2020 gleich zu Beginn (Ziff. 1.1, S. 3) festhält: «Die Honorierung des Planers kann erfolgen … nach einem zwischen Auftraggeber und Planer individuell vereinbarten Modell».

By the way: Art. 7 SIA LHO 102, Ausgabe 2014, enthält (zumindest für Architektinnen und Architekten relevant) nicht nur die Bemessungskriterien nach Zeitaufwandmodell, sondern auch Regeln zur Honorierung von Zusatzleistungen wie Teilaufträgen, Projektvarianten und Änderungsleistungen (etwa Art. 7.11) oder zum Umgang mit Fachplanern, Spezialisten und Beratern (Art. 7.15). Zusammenfassend ergibt sich, dass alle davon Kenntnis genommen haben, dass es die neuen Leistungs- und Honorarordnungen 2020 gibt, aber der Mehrwert wohl vor allem in einer Gefälligkeit gegenüber den Wettbewerbshütern zu sehen ist. So ist es beinahe zynisch anzumerken, dass sich der Kauf (die neuen Ordnungen kosten CHF 180.–) nicht zwingend lohnt.

— Patrick Middendorf, Rechtsanwalt, Zürich
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