Kluge Möglichkeitsform für das Viererfeld

Bern hat gewählt: Hauptgewinner des städtebaulichen Wettbewerbs für die Entwicklung des Areals Viererfeld/Mittelfeld wurde das Team um Ammann Albers StadtWerke, Raderschallpartner und Huggenbergerfries, das in dem dreiteiligen Verfahren den 1. Rang in den Bereichen «Städtebau» und «Landschaftspark» belegte und zudem im dritten Teilwettbewerb «Wohnen» neben sechs anderen Teams für die Weiterbearbeitung ausgewählt wurde.

Trotz der heftigen Kritik am Verfahren, die im Vorfeld von Architekturschaffenden aus der Region geäussert wurde, und ungeachtet der Kontroverse um die mögliche neue Aarebrücke, (vergleiche werk-notiz vom 6. Februar 2018), sprengte keiner der 26 Vorschläge den relativ engen Rahmen, den der Wettbewerb für die Bebauung steckte – oder gar den Planungsperimeter. Es war eben nicht der offene Ideenwettbewerb, den die Kritiker für das grösste städtebauliche Projekt der Bundesstadt seit Jahrzehnten gefordert hatten.

Das «eigens für dieses Leuchtturmprojekt designte Verfahren», wie es Stadtpräsident Alec von Graffenried umschrieb, vereinte drei Wettbewerbe in einem und verlangte von den multidisziplinären Teams die Ausarbeitung eines neuen Wohnquartiers für 3000 Menschen bis hin zu Wohnungsgrundrissen im Massstab 1:200 und eines Stadtparks. Ein Team, das so viel investiert, will seine Gewinnchancen nicht um einer städtebaulichen Debatte willen kompromittieren. Das ist ganz im Sinne der Stadtregierung, die in jahrelangem politischen Ringen die planungsrechtlichen Grundlagen für das neue Quartier geschaffen hat und auf eine rasche Umsetzung drängt. Sie hat nun ein tragfähiges städtebauliches Konzept zur Hand, das die bereits geschlossenen politischen Kompromisse unangetastet lässt, und sieben Projektteams für die geplante erste Etappe.

Der erstrangierte Entwurf sieht für das Viererfeld eine vergleichsweise kleinteilige und durchlässige Bebauung entlang der Hangkante vor und einen angrenzenden Bereich mit Familien- und Gemeinschaftsgärten in Form von «Sørensen-Inseln» als Übergang zur öffentlichen Freifläche und zum Wald. Das Projekt überzeugt durch die Logik und Klarheit seiner Struktur und die präzise Definition der Übergänge zu den benachbarten Quartieren, durch seinen «kompositorischen Klang», wie es Jury-Moderator Rainer Klostermann nannte. Und es gehörte zu den wenigen, die auf dem Mittelfeld keine Hochhäuser vorsahen. Die beiden Projektteile zu einer städtebaulichen Einheit zu machen ist den Verfassern aber ebensowenig gelungen wie allen anderen – die vorgegebene Zonierung erlaubte dies nicht. Mit Blick auf die offene Frage, ob, wann, wo und für welchen Verkehr künftig eine Brücke vom Viererfeld aus über die Aare führen wird, hat das Siegerprojekt die interessante Eigenschaft, dass es Anknüpfungspunkte für alle Möglichkeiten enthält: Seine Bebauungs- und Durchwegungsstruktur würde mit oder ohne Brückenanschluss am im Wettbewerb vorgesehenen Ort gut funktionieren – und sogar noch besser, falls eine Brücke weiter nördlich, am höchsten Punkt des Areals ankäme, also genau dort, wo sie die Interessengruppe für eine «richtige» Viererfeldbrücke gerne hätte. Das robuste Konzept gibt nicht nur kluge Antworten auf die gestellten städtebaulichen Fragen, sondern bietet im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Areals auch ein Maximum an Optionen und ein Minimum an Angriffsfläche für Kritik.

Unter der Federführung der Planergemeinschaft aus Zürich und Meilen wird nun bis Ende Jahr ein Masterplan für das ganze Areal ausgearbeitet, in den sieben Einzelprojekte mit total 300 Wohnungen für die Realisierung in einer ersten Etappe (frühestens ab 2023) integriert werden sollen.

— Benjamin Muschg

Wettbewerbsausstellung
Alle Wettbewerbsbeiträge sind bis zum 2. Februar im ehemaligen Swisscom-Hochhaus an der Ostermundigenstrasse 93 ausgestellt und vom 11. bis 23. März im Kornhausforum, wo am 12. März auch ein Podiumsgespräch zur Planung Vierer-/Mittelfeld stattfindet.

© Franziska Rothenbühler
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