Wagemut und Tatendurst

Der Ort ist ungewöhnlich. Sowie der einstige Erbauer der Villa Patumbah in Zürich, Carl Fürchtegott Grob seinen Reichtum auf den Tabakplantagen Sumatras verdient hatte, so wenig geizt sein Haus mit Anspielungen an die Fremde. Im Souterrain der 2013 renovierten und nun als Bildungszentrum des Schweizer Heimatschutz zugängliche Villa aus dem Historismus ist bis zum 1. Oktober 2017 die Ausstellung Shelter is not enough – Lebensräume für Flüchtlinge in der Schweiz zu sehen. Der Verein Architecture for Refugees Schweiz initiierte die Schau und setzt den Exotismen der Architektur, die Alltagsrealität der hier Fremden entgegen.  Dabei bilden die unterschiedlichen Wohnsituationen von Flüchtlingen in der Schweiz das Thema: Zivilschutzunterkunft, Container oder Mehrfamilienhaus. Alle bieten sie ein Dach über den Kopf, aber meist auch nicht mehr. Welche Architektur könnte aber zu einer gelingenden Integration beitragen?

Wachsende Ausstellung

Erstmal nehmen die Besucher im Souterrain der Villa auf einem einladenden Sofa Platz. Das ist nicht nur metaphorisch passend, sondern hält tatsächlich ein angemessenes Erlebnis punkto Haus und Haptik bereit. Die Diele wartet mit allerlei Fakten auf, die – wie in der gesamten Ausstellung – stimmungsvoll als Installationen auf rohen Holzlatten dargeboten werden. Nach den rund 40 000 Flüchtlingen im Jahr 2015 waren es letztes Jahr nur noch 27 000 Menschen (0.3 % der Gesamtbevölkerung), die in der Schweiz einen Asylantrag gestellt haben – Tendenz sinkend.

Werkstatt für Zukunftsideen

Die Ausstellung teilt sich im weiteren in drei Räume im Souterrain der malerischen Villa auf, die drei Themen gewidmet sind: Zum Thema «Einblicke» sind acht Biografien versammelt von in der Schweiz lebenden Flüchtlingen, die einerseits erst seit kurzem hier leben, wie ein neunzehnjähriger Afghane oder andererseits bereits seit sechs Jahren, wie im Fall der 38-jährigen Mazedonierin. Der Wagemut und Tatendurst dieser Menschen ist hoffentlich ansteckend. In einem weiteren Raum zum Thema «Innensicht» sind die Besucher nach ihrer Meinung gefragt: zu Heimat, Nachbarschaft, kulturellen Gewohnheiten oder Vorurteilen.

Das wichtigste Ziel der Ausstellung wird jedoch im mittleren Zimmer verfolgt. Der Gartensaal, der wie eine Werkstatt eingerichtet ist, steht unter dem Thema «Aussichten». Neben Filmen, Interviews und Publikationen, die hier zu sehen sind, finden hier in den kommenden Monaten Workshops nach einem breiten Programm statt. Hier sollen Menschen zusammenkommen und zukunftsfähige Ideen gefunden werden, wie Flüchtlinge mit Einheimischen zusammenleben können. Die Ergebnisse werden wiederum in die Ausstellung einfliessen.

Das bietet Anregung, über zeitgemässes Zusammenwohnen zu reflektieren, die den Status des Temporären hinter sich lässt.

— Roland Züger
Architektinnen können Hand bieten bei der Integration von Flüchtlingen. Eine Ausstellung weist den Weg.
© Irsahd Nasir
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