Article from 12–2024

Licht, Raum und Aufbruchstimmung

Die Bauten der 1980er Jahre in den Fotografien Lluís Casals’

Iñaki Bergera

Aus einer ersten Begegnung zwischen Architekt und Fotograf entwickelt sich eine jahrzehntelange Zusammenarbeit. Es entstehen Bilder, die die Sicht der Öffentlichkeit auf die Bauten Víctor López Cotelos prägen, doch auch sein Werk selbst beeinflussen.

Winter 1985. Auf dem freien Feld eines ehemaligen Flugplatzes in Alcalá de Henares, östlich von Madrid, steht die neue Fakultät für Pharmazie. Ein Schwarzweiss-Bild, original im Format 6×6 Zentimeter, zeigt uns in leicht verkürzter Perspektive und aus geringer Entfernung die aufgereihten, streng geometrischen Backsteinkörper eines unverkennbar funktionalistischen Gebäudes. Der Archivfund war eine Einstellung zur Probe. Doch verrät im Vordergrund der Schattenwurf zweier Personen und eines Stativs die enge Zusammenarbeit zwischen dem katalanischen Fotografen Lluís Casals (1954 – 2021) und dem Madrider Architekten Víctor López Cotelo. Casals, ausgebildet an der Elisava-Schule in Barcelona und Bewunderer seines Vorbilds und Meisters Francesc Català-Roca, arbeitete zusammen mit seinem Kollegen Ferran Freixa als aufstrebender, aber bereits anerkannter Architekturfotograf für die katalanischen Büros jener Zeit wie Clotet und Tusquets, Garcés & Soria und Correa & Milá.1 Dies war die erste Gelegenheit, bei der López Cotelo einen professionellen Fotografen beauftragte, denn eine Zeitschrift war an der Veröffentlichung des kürzlich fertiggestellten Instituts interessiert.

Von früheren Projekten gab es nur Fotos vom Architekten selbst, denn dieser war mehr damit beschäftigt, sein architektonisches Können weiterzuentwickeln, als seine Bauten bekannt zu machen. Casals kam, um zu bleiben, und verantwortete die visuelle Synthese von López Cotelos sorgfältigen Entwürfen. In diesem gemeinsamen Schatten wurde – auch durch die Diskretion und Umgänglichkeit der beiden – metaphorisch eine Freundschaft und Zusammenarbeit besiegelt, die fast vier Jahrzehnte dauerte – bis zum Tod des Fotografen vor drei Jahren.

Synergie von Architektur und Bild

Im Fall des Fakultätsgebäudes für Pharmazie bildeten nicht mehr als 40 Fotografien, die meisten davon noch in Schwarzweiss und einige andere in Farbe, eine vollständige Choreografie der Innenräume und des Äusseren des Gebäudes. Sie zeigen, worauf der Architekt vertraute: Ohne Casals darauf hinweisen zu müssen, erfasste dessen Auge visuell die Essenz des Gebäudes, die López Cotelo wiedererkannte. «Wir verstanden uns ausgezeichnet», sagt der Architekt, «denn ich musste ihm nichts erklären. Ihm gelangen wichtige, sehr präzise Bilder, die das Gebäude ausgezeichnet beschrieben». Die ersten eigenen Projekte, nachdem der Architekt und sein Partner Carlos Puente das Büro Alejandro de la Sotas verlassen hatten, waren das Ergebnis einer intensiven und disziplinierten Auseinandersetzung mit Architektur. So versuchten auch die Fotografien von Casals nicht, eine autonome Vision zu konstruieren, die das Wesen des Bildes von der Identität des Beobachteten entkoppeln: Das Markenzeichen von Casals – das López Cotelo ebenso verblüffte wie zum Beispiel Le Corbusier aus anderen Gründen die Fotografien Lucien Hervés – ist genau das Fehlen davon. Denn er konzentrierte alle Anstrengung darauf, jeden Hauch von Autorschaft verschwinden zu lassen, damit die abgebildete Architektur ihre Kohärenz und ihre Besonderheit entfalten kann.

Andere Fotografen wie Javier Azurmendi, Eduardo Sánchez, Bernardo González Corces, Luis Asín, Duccio Malagamba und Hisau Suzuki porträtierten auf Wunsch verschiedener Auftraggeber und Bauherren ebenfalls einige Werke von Víctor López Cotelo, doch erst mit Lluís Casals konnte er die konzeptionelle Übereinstimmung und die visuelle Synergie seiner Bauten festigen.

Abstrahierter räumlicher Reichtum

«Lluís mochte unsere Arbeit sehr, weil es eine grosse Affinität gab, die nicht nur mit der Architektur zu tun hatte, sondern auch mit den allgemeinen Interessen, die wir teilten. Er war ein diskreter Mensch, der sich nicht vordrängte, und da haben wir uns getroffen», erinnert sich der Architekt und verweist auf den Humanismus, der seinem Sein und Tun zugrunde liegt. Diese auf die Architektur übertragene Haltung findet sich im Projekt des Rathauses von Valdelaguna wieder, das sich volumetrisch und formal in die vernakuläre Umgebung integriert und sich behutsam in den Massstab des dörflichen Raums einfügt. Es handelt sich um eine Architektur, die sich artikuliert, indem sie den Turm als Repräsentation der Bürger mit einem liegenden Baukörper als Ausdruck der öffentlichen Anspruchs und der Dienstleistung verbindet.

Bei der Durchsicht des Archivs von Casals, das nach seinem Tod als Geschenk an die Architektenkammer von Katalonien ging, zeigt sich einmal mehr, dass die knapp 15 Bilder von Valdelaguna eine komprimierte visuelle Erzählung darstellen, die auf die stille Poesie des Projekts fokussieren. Die Renaissance-Zentralperspektive mit einem einzigen Fluchtpunkt, verstärkt durch das quadratische Format des 6 × 6-Dias, erlaubte es dem Fotografen, ohne den räumlichen Reichtum und seine Dynamik zu verlieren, die Lektüre des zeitlosen Projekts zu abstrahieren. So zeigen die Bilder die subtile und reiche Palette an Materialien und Texturen im Innen- und Aussenraum, die strukturelle Autonomie, den poetischen und figurativen Kontrapunkt von Treppen, Geländern und Schreinerarbeiten und die atmosphärische Aktivierung durch den kontrollierten Lichteinfall ins Gebäude.

In Millimetern gebaut, in Sekunden gelebt

Die öffentliche Bibliothek von Aragonien in Saragossa ist das Werk, das die erste Phase der Zusammenarbeit von Víctor López Cotelo und Carlos Puente im blühenden Jahrzehnt der 1980er Jahre würdig vertritt. Damals entstand das Spanien der autonomen Regionen, und eine neue Generation von Architekturschaffenden übernahm eine führende Rolle. Sie war für eine breite Palette öffentlicher Einrichtungen verantwortlich, die mit der Dezentralisierung des Landes erforderlich wurden. Aus diesem «eklektischen Rationalismus», wie jene Architektur der Achtzigerjahre bezeichnet wurde, die noch zwischen Tradition und Moderne schwankte, sticht die Bibliothek von Saragossa durch eine eigene Handschrift hervor. Nicht wegen der vermeintlichen Zitate von nahen (de la Sota) oder fernen (Aalto, Asplund) Meistern als Ausdruck jener semantischen Spannung, in der mehr Theorie als Praxis steckte, sondern wegen ihrer pragmatischen, nüchternen, raffinierten und realistischen Haltung. Ohne diese Realität zu erzwingen oder sich selbst neu zu erfinden, erschliessen uns die Fotografien von Casals erneut ein Beispiel der städtischen Einpassung und der formalen Annäherung – wie in Valdelaguna, aber mit einem anderen Massstab und Charakter. In den Fotos sehen wir eine architektonisch überlegte Materialität, die den Eigenwert der Konstruktion, ihrer Details und die strukturelle Ausdruckskraft in den Vordergrund stellt, geformt durch ein Licht, das den funktionalen Charakter der reichen Innenräume prägt.

Casals schreibt das um, was er beobachtet hat, und – wie er selbst erklärte – verwandelt diese Information durch Linie, Komposition und Licht in eine flache Geometrie. Ein Licht, das den architektonischen Raum wahrhaftig belebt und durch die Zeit im fotografischen Raum festgehalten wird. «Die zeitliche Dimension der Architektur ist wichtiger als die räumliche», betont López Cotelo. «Architektur entsteht in Millimetern, aber sie wird in Sekunden gelebt», in jenen Sekunden, die Casals brauchte, um sie zu verewigen.

Iñaki Bergera (1972) ist promovierter Architekt und lehrt als Professor für Entwurf an der Universität von Saragossa. Er ist als Fotograf und Kurator tätig. Seine Recherche konzentriert sich auf die Beziehungen zwischen Fotografie, Architektur, städtischem Raum und Territorium.

Aus dem Spanischen von Lucia Gratz. Originaltext

1 Iñaki Bergera, «La imagen de la arquitectura democrática: Lluis Casals, 1954–2021», in: Iñaki Bergera, Fotografía y arquitectura. La imagen del espacio construido, Madrid 2023, S. 83–84.

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