Lucia Gratz
Ein präzises Studium von Abläufen und der Abstufung zwischen öffentlich und privat liegt dem Entwurf der Residenz der Schweizer Botschaft in Algier zugrunde. Als Collage entfalteten Lütjens Padmanabhan das Programm ebenerdig unter einem grossen Dach: als Ort für das alltägliche Leben und als Ort für repräsentative Anlässe im Dienst der Eidgenossenschaft. Die beiden Bestandteile sind räumlich durchlässig, wie sich auch im wirklichen Leben Beruf und Privates oftmals vermischt. Und sie sind bewusst durchlässig gehalten, um die Grenzen je nach Bedarf festlegen zu können. Im Haus lebt die Botschafterin oder der Botschafter, die auch mit der Familie hier einziehen können. Es ist deshalb auch so etwas wie ein grosses Einfamilienhaus, das neben dem Wohnen eine berufliche Rolle verräumlicht. Hinzu kommt, dass die diplomatische Vertretung alle drei Jahre wechselt. So ist es nicht das Haus für ein ganzes Leben, sondern für ein Engagement auf Zeit.
Etwa dreimal die Woche finden Empfänge oder andere Anlässe statt. Schräg gegenüber der 2014 erstellten Botschaft von Bakker & Blanc betritt der Besuch das Haus durch einen trichterförmigen Eingang. Eine breite Treppe auf die Dachterrasse lädt ein, ein Glas Walliser Weisswein dort an der Bar mit Blick über Algier einzunehmen. Hohe Räume mit Marmorböden und breitgestreiften Wänden leiten fliessend vom Salon zum Dinner über. Das Personal agiert diskret aus dem Hintergrund. Drei Räume mit eigenen Zugängen von aussen dienen der Hausarbeit, als Catering-Küche und den Hausangestellten als Pausenraum. Der Zugang in den privaten Teil des Hauses führt gleich neben der Garage ins Innere, begleitet vom spitzdreieckig ins Haus geschnittenen Patio, der mit exotischen Pflanzen bewachsen das Zentrum der Privatwohnung bildet. Er bringt Licht in die Tiefe des Grundrisses und separiert die Schlafräume vom Ess- und Wohnbereich. Dieser orientiert sich mit einer Glasfassade und einer geschützten Terrasse zum Garten. Als Teil der Enfilade mit Salon und Speisesaal bilden sie eine lange Fassade mit der Möglichkeit, private Aktivitäten und repräsentative Gartenpartys auf den Rasen zu erweitern.
Die Vorgängervilla aus der Kolonialzeit wurde ersetzt, doch der Garten mit seinen Zitrusbäumen und den hohen Palmen blieb. Er ist auch Wahrnehmungsraum für das Haus: Mit orangen Wandsteifen spielen die Architekten mit der illusionistischen Untiefe des Raums und beziehen sich auf Raumkonzepte der Minimal Art. Stirling-grüne Fenster zeichnen Fassadenbereiche aus, Eternitplatten suggerieren als vertikale oder schräge Flächen die Auflösung des Baukörpers. Das Haus im Diplomatenquartier präsentiert sich als Melange aus Rückzug und Repräsentation, antimonumental, vielgestaltig und offen in alle Richtungen.
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