Das grundsätzliche Verständnis für den architektonischen Raum sowie die Art und Weise, wie sich darin sozio-kulturelle Phänomene physisch und konstruktiv materialisieren lassen, prägen Didier Balissat (1985) und Joni Kaçani (1990) nach eigener Aussage. Diese Faszination sei ein Produkt ihres Studiums, ihrer Arbeit und ihrer Lehrtätigkeit bei Christian Kerez und Made In.
Wir verstehen die Aufgabe der Architektur als so einfach wie komplex: als das Schaffen physischer Orte. Diese sind Verräumlichungen unsichtbarer sozialer, ökonomischer oder kultureller Prozesse, die ausserhalb der Disziplin zu verorten sind. Das Feld, in dem Architektinnen und Architekten agieren, ist also nicht autonom. Räume verbergen sich hinter sozialer Praxis und unzähligen Schichten materialisierter (Bau-)Geschichte.
In unserer Arbeit suchen wir nach diesen potenziellen Räumen. Dabei verstehen wir Architektur als bodenständige Disziplin jenseits akademischer Referenzen und Rhetorik. Folglich interessieren uns besonders jene Aspekte, die sich durch ihre Materialisierung räumlich erfahrbar machen lassen. Als soziales Produkt verstehen wir den architektonischen Raum nicht als reine Manifestation der Gegenwart, sondern als Potenzial, das zukünftige Formen des Zusammenlebens zu konstruieren vermag.
Hinter den Oberflächen der funktionalen (klein-)bürgerlichen Zimmer des Bestands aus dem Jahr 1958 verbirgt sich eine unerwartete (konstruktive) Realität. Die Armierungspläne belegen, dass nicht die Zimmerwände das Haus tragen, sondern ein dazwischen versteckter Betonpfeiler. Das Reihenhaus ist also strukturell Teil einer räumlich flexiblen und seriell industriellen Stützen-Platten-Konstruktion. Indem wir die Tragstruktur offenlegen, machen wir das Reihenhaus als Fragment dieses grösseren Ganzen räumlich erfahrbar. Der Rückbau aller nicht-tragenden Wände bringt die Verschiedenheit der einzelnen architektonischen Elemente zu Tage. Ein Raumkontinuum breitet sich über die Geschosse aus, ohne dabei Zimmer abzugrenzen. Einzelne Funktionen besetzen lediglich Nischen dieses Raums – ohne eine klare Grenze zwischen der Vorder- und Hinterbühne für das Zusammenleben seiner Benutzerinnen und Benutzer auszubilden.
Umbau Reihenhaus M, Baden; Bauherrschaft: privat; Architektur Balissat Kaçani, Baden; Bausumme: CHF 400'000 (BKP 1 – 9) Chronologie Planungsbeginn: Dezember 2020; Bezug: August 2021; Bilder: Hermes Killer, Mikael Olsson Portrait: Hanae Balissat