Article de la 12–2024

Einfache Gelassenheit

Das Ferienhaus in Rodalquilar

José Francisco García-Sánchez, Pedro Noguera (Bilder)

Wie ein Destillat findet sich das architektonische Repertoire Víctor López Cotelos in einem einfachen, kleinen Ferienhaus wieder. In allen Einzelheiten durchdacht, spricht es vom gezielten Umgang mit Licht und Temperatur und einer erstaunlichen Ökonomie der Mittel.

Das Ferienhaus in Rodalquilar befindet sich im Naturpark Cabo de Gata-Níjar östlich von Almería, umgeben von unberührten Stränden und Wüstenlandschaften. Rodalquilar war ursprünglich ein Bergbaudorf mit einer britischen Goldmine, das sich seit deren Stilllegung behutsam touristisch entwickelt hat, wobei es sein Wesen und seine Grösse bewahren konnte.

Das von Víctor López Cotelo entworfene Haus, das 1992 von einem Freund in Auftrag gegeben worden war, steht auf einer kleinen Parzelle im dichten Ortskern mit einer Front von nur 3,20 Metern und einer Tiefe von 12 Metern, in einer Strasse, die so schmal ist, dass nicht einmal ein Auto durchpasst. Das Haus präsentiert sich als schlichtes, kubisches Volumen mit weiss gekalkten Wänden und einer Fassade, die lediglich drei präzis gesetzte, hinter Holzlamellen verborgene Öffnungen besitzt. Dabei hat sich der Architekt die Grammatik der vernakulären Architektur der Gegend zu eigen gemacht, mit dem Wunsch, dem Gemurmel des genius loci zu lauschen.

Souterrain und Hagioskop

Der Zugang zum Haus gleicht einem Ritual von phänomenologischer Sinnlichkeit. Die erste Entscheidung des Entwurfs bestand darin, ein Souterrain vorzusehen, dessen Fläche gemäss dem Baugesetz nicht angerechnet wurde und das auch als Flur dient. Man betritt es über sieben Stufen einer offenen Treppe, die sich in einem minimalen Vorhof an der Eingangsfassade befindet. Vom Souterrain führt im Inneren eine weitere Treppe in die beiden oberen Stockwerke und auf die Dachterrasse, die mit einer grossartigen Aussicht überrascht. Auf diese Weise betritt man das Haus vom Herzen her. Dieser atavistische Weg – erst nach unten, dann nach oben – stimmt uns zunächst ein mit der Frische der Erde und der Dunkelheit, um schliesslich unter das Licht des Himmelsgewölbes zu treten. Das Souterrain wird ständig belüftet und belichtet, sowohl durch den Vorhof zur Strasse als auch durch Schlitze in der Decke, die zum rückwärtigen Patio im darüberliegenden Hauptgeschoss führen. Über die gesamte Breite des Hauses fällt dort zenitales Licht auf eine lange Arbeitsplatte aus Marmor.

Im Hauptgeschoss liegen zur Strasse Küche und Bad sowie ein überhoher Wohnraum, der sich zum Patio öffnet. Ein Geschoss darüber befindet sich ein Schlafzimmer, das sich sowohl mit einem tieflaibigen Fenster zur Hauptfassade orientiert als auch zum überhohen Innenraum mit einer weiteren Öffnung: einer Art Hagioskop, das bei geöffneten Läden einen Blickbezug zwischen den Räumen ermöglicht. Doch trägt es auch zur Querlüftung bei, die eine einfache und ökonomische Lösung für ein behagliches Klima im Haus darstellt.

Details für den alltäglichen Komfort

Im Haus bilden die Treppen eine eigene Landschaft und definieren die Art der vertikalen Verbindung. Neben der kleinen Betontreppe, die von der Strasse zum Souterrain führt, gibt es drei weitere einläufige Holztreppen, die weder in der Steigung noch in der Richtung übereinstimmen, um die verschiedenen Ebenen bis zum Dach zu erreichen. Sie werden nach oben zu den privateren Bereichen immer steiler – es ist fast schon eine Leiter, die durch die Luke auf die Dachterrasse führt. Dort schweift der Blick über das Tal von Rodalquilar bis zum tiefblauen Meer am Horizont.

Die endgültige Position der Handläufe legte der Architekt erst fest, als er nach der Montage auf der Baustelle die Treppen selbst hinaufstieg und die Stellen ausfindig machte, an denen man sich festhalten musste. Die Treppenläufe begleitet ein feines verzinktes Stahlrohr, das teils vertikal und sogar horizontal über dem Kopf verläuft, um einen sicheren Auf- und Abstieg zu ermöglichen. Das Abzugsrohr des Ofens, der im Wohnzimmer über der Treppe ins Untergeschoss steht, um den Raum optimal auszunutzen, führt frei durch den hohen Raum. Bereits in den Plänen ist es in spielerischer Verwandtschaft mit dem Handlauf so eingezeichnet. Inspiriert war es jedoch von einfachen Häusern auf dem Land, in denen oft das lange Rohr genauso wie der Ofen selbst die Stube wärmte.

Einige der Schreinerdetails tragen dazu bei, mit der Belüftung und Belichtung das Klima im Haus zu regeln. Sowohl die Fenstertüren im Wohnzimmer, die sich zum Patio orientieren, als auch die Öffnung im Schlafzimmer sind mehrschichtig konstruiert: Jede Schicht übernimmt eine räumliche und klimatische Funktion. Die innere Ebene ist das Fenster als Raumabschluss selbst, es lässt sich klappen und falten und so der Öffnungsgrad und die Lichtmenge steuern. Im Abstand einer grosszügigen Luftkammer, die die notwendige Tiefe hat, um das Glas vor der Sonne zu schützen, liegen aussenseitig Läden aus Holzlamellen. Durch ihre Ritzen strömt Luft und sie verschatten den Raum. Das ganze System ist eine raffinierte Interpretation eines Kastenfensters, das an das mediterrane Klima angepasst ist.

Zeitlose Gelassenheit

Das kleine Haus weist mehrere Entscheidungen auf, die es zu einem Meisterwerk machen: Details, die im Gebrauch eine formale Rechtfertigung finden, direkte Konstruktionsweisen und der aus der Bautradition übernommene Einfallsreichtum, in dem ein ureigenes Verständnis von Nachhaltigkeit sichtbar wird. Ein Beispiel ist die Verwendung der Palme des Nachbarn, deren visuelle Präsenz und deren Schatten man sich für den kleinen Innenhof des Hauses zunutze machte, ohne selbst eine pflanzen zu müssen, wie uns Víctor López Cotelo erzählte.

Das Haus wurde aus einfachen Materialien und mit lokalen Techniken gebaut, wobei der haptische Aspekt gegenüber dem visuellen im Vordergrund stand: der kühle weisse Marmor des Fussbodens stammt aus Macael – einem bekannten Steinbruch in der Nähe, der auch das Material für die Innenhöfe der Alhambra lieferte –, der leuchtend weisse Kalkputz, der sichtbare Stampfbeton im Untergeschoss, die gewölbten Decken mit ihren schmalen, hohen Kappen, die Steinmauer des Innenhofs, deren Machart von landwirtschaftlichen Infrastrukturen übernommen wurde, oder die Schreinerarbeiten, die Handwerker aus der Gegend ausführten. Das Ergebnis beeindruckt durch eine zeitlose Atmosphäre der Abgeschiedenheit und Gelassenheit.

Nun, da das Haus bald 30 Jahre alt wird, zeigt sich, wie dauerhaft eine schlichte Architektur ist, die aus dem gemeinsamen Geist der Beteiligten entstanden ist. In den Ferien lebt man gerne in einer einfachen Umgebung, verzichtet auf das Überflüssige und besinnt sich auf grundlegende Werte. Vielleicht ist dies das Geheimnis des Glücks: die Tugend, mit der Entscheidung für das Einfache die Freude zu vervielfachen.

José Francisco García-Sánchez (1983) ist praktizierender Architekt und promovierte an der UPM in Madrid. Er ist Professor für Entwurf an der Universität von Granada und wurde mehrfach für sein theoretisches und praktisches Werk ausgezeichnet, u.a. mit dem Forschungspreis der XVI. Spanischen Biennale für Architektur und Städtebau.

Aus dem Spanischen von Lucia Gratz. Originaltext

Lire la suite sans abonnement :

Avec tiun, tu bénéficies d'un accès illimité à tous les contenus de werk, bauen + wohnen. Tu ne paies que tant que tu lis - sans abonnement.

Annonce

Plus d'articles