Article de la 6–2025

Mittelalterlicher Dachstuhl und zeitgenössische Akustik

Bijloke Konzerthaus Gent, umgebaut von DRDH Architects

Petrus Kemme, Michiel De Cleene, Karin Borghouts, Phoebe De Corte (Bilder)

Wenige, aber beherzte Eingriffe sorgen im mittelalterlichen Raum nun für eine gute Akustik. Um bessere Raumproportionen zu erhalten, musste der Boden abgegraben werden. Ein delikates Unterfangen bei einem gotischen Baudenkmal.

In seinem 1998 erschienenen Buch Musicking stellt der in Neuseeland geborene Musiker Christopher Small treffend fest: «Ich kann mich nicht erinnern, einen Konzertsaal gesehen zu haben, der im gotischen Stil erbaut wurde, möglicherweise weil seine Assoziation mit einer mystischen, religiösen Kultur in der rationalen, humanistischen Welt der klassischen Musik als fehl am Platz empfunden wird.» In der Tat verbindet man die Aufführungsorte klassischer Musik normalerweise nicht mit gotischer Architektur, es sei denn, die Aufführung ist in die Religion eingebettet. Doch in Gent ist ein Saal aus dem dreizehnten Jahrhundert einer der wichtigsten Veranstaltungsorte für klassische Musik in ganz Belgien. So spitz die Bögen in der Fassade auch sein mögen, das Innere ist vor allem der vielfältigen Musiktradition der letzten fünf Jahrhunderte (mehr oder weniger) gewidmet. Die meisterhafte Vermittlung zwischen Gotik und Akustik ist der zeitgenössischen architektonischen Intervention von DRDH Architects und Julian Harrap Architects sowie dem akustischen Fachwissen des Ingenieurbüros Arup zu verdanken.

Das Problem der Raumproportionen

Nur wenige Besucherinnen und Besucher ahnen, vor welchen Herausforderungen das Planungsteam stand, denn heute erfüllt der Konzertsaal seinen Zweck mit offensichtlicher Leichtigkeit. Der langgestreckte Raum lenkt den Blick auf die Bühne. Seine Ausrichtung wird durch den allmählich ansteigenden Boden unter den Sitzen noch verstärkt. Publikum, Interpretinnen und Interpreten sind in der warmen Umarmung der Eichenholzverkleidung vereint, die sich über das untere Drittel der historischen Saalwände erstreckt. Die dunklen Holztöne und die rhythmische Gliederung spiegeln die kunstvolle Dachkonstruktion darüber wider. Das Dach besteht aus zwei aufeinanderliegenden gebogenen Fachwerkbindern – ein Thema, das formal in der halbkreisförmigen Kurve der Vertäfelung an beiden Enden des Saals aufgenommen wird. Der Grundriss erinnert vage an eine Kirche, obwohl es nicht einmal eine Spur von religiösen Elementen gibt. Zwischen der Vertäfelung und dem Dach sind die Wände in klarem Weiss gehalten und vervollständigen eine vertraute Komposition. Es ergibt einfach alles Sinn. Und vor allem: Die Akustik ist tadellos. Man kann jedes Detail von Beethovens Neunter auch in der hinteren Hälfte des Saals hören – das kann ich aus eigener Anhörung versichern.

Wie mühelos das Ganze aussehen mag, die Bauaufgabe war gelinde gesagt eine Herausforderung. Bei dem alten Saal handelte es sich um ein mittelalterliches Bauwerk von grosser historischer Bedeutung, aber mit schlechter Akustik. Der Saal weist schräge Steinwände und ungünstige Abmessungen auf. Er ist etwa viermal so lang wie breit. Sogar das Dach, das in den meisten Fällen ein grosser Pluspunkt ist, war ziemlich niedrig und schränkte sowohl die akustische Leistung als auch die Grösse des Saals ein. Ausserdem blieb es über die gesamte Länge im Querschnitt gleich, was zum langgestreckten Charakter des Saals beitrug. Man muss kein Experte sein, um zu verstehen, dass diese räumlichen Gegebenheiten keine perfekten akustischen Bedingungen boten.

Die Kultur in Flandern erwacht

Diese schwierigen Bedingungen hinderten jedoch nicht daran, dort Musik aufzuführen, lange bevor das Gebäude nun dafür angepasst wurde. Der Ruf des Saals als Veranstaltungsort für klassische Musik geht dem jüngsten architektonischen Eingriff sogar lange voraus. So fand das erste Konzert hier 1988 statt, nachdem der Saal dem Verfall preisgegeben worden war. Davor war der Saal Teil eines Spitals der Abtei Bijloke aus dem 13. Jahrhundert gewesen, die im 17. und 19. Jahrhundert stark erweitert wurde. Die älteren Teile der Abtei wurden 1913 (im Jahr der Genter Weltausstellung) von der Stadt erworben, um ein Geschichtsmuseum einzurichten, das heute den Namen STAM (Stadsmuseum) trägt. In der Zwischenzeit blieb das Spital bis 1983 an Ort und Stelle. Die ersten Musikinitiativen gingen von lokalen Enthusiasten aus und führten in Verbindung mit der einzigartigen Atmosphäre des gotischen Gebäudes dazu, dass es ab Ende der 1990er Jahre zum wichtigsten Konzertsaal in Gent wurde. Diese kurze Geschichte des Bijloke Konzertsaals fügt sich in den breiteren Kontext eines kulturellen «Erwachens» in der Region Flandern in den 1980er und 1990er Jahren ein. Diese fand ihre Entsprechung in Kunst, Mode und Architektur. Das erklärt, warum aus diesem unbeholfenen gotischen Gebäude überhaupt ein klassischer Konzertsaal wurde. Einfach ausgedrückt: Der leere Saal stand damals einfach zur Verfügung, als sich die kulturelle Infrastruktur in Flandern von unten nach oben entwickelte. Seitdem hat das Gebäude seine Vorzüge unter Beweis gestellt und seinen Ruf als Ort für klassische Musik in Gent gefestigt, trotz seiner nicht idealen akustischen Eigenschaften. Diese Angelegenheit wurde nun kürzlich angegangen, und zwar gründlich.

Hinter dem harmonischen Gesamtbild, das der Konzertsaal heute bietet, stehen entscheidende Prämissen. Zunächst einmal wurde der Fussboden des bestehenden Gebäudes aufgegeben, um in die Erde zu graben. Die grössere Saalhöhe optimiert die Raumproportionen und ist ein erster Schritt zur Verbesserung der Akustik. Das gilt auch für die Höhenunterschiede, denn der Boden steigt sanft vom ehemaligen Untergrund zu den erhöhten Sitzen an. Natürlich verbessert die Neigung auch die Sichtlinien für das Publikum und die Gesamtausrichtung des Raums. Die Raumverkleidung aus Eichenholz sitzt in der bestehenden Halle wie eine überdimensionierte Badewanne. Die Enden der Wanne sind gebogen und zur Raummitte des Saals hingeschoben, um dessen Länge zu reduzieren. Hinter der Bühne kommen in der Lücke zur Aussenwand Chorbänke und Treppenerschliessung zu liegen. Je nach Konzert kann das Publikum auch hier sitzen. Freilich gingen einige Quadratmeter und Sitzplätze in der neuen, kleineren Grundfläche unbestreitbar verloren. Und das alles, einmal mehr, zugunsten von Raumproportionen und Akustik: Qualität geht vor Quantität.

Zwischen Präsenz und Bescheidenheit

Diese kühnen Entscheidungen sollen jedoch nicht von der Ausführungsqualität im Detail ablenken, die ebenfalls zu sehen ist. Die Eichenholzverkleidung ist raffiniert und doch bescheiden, sie strahlt Wärme und Solidität aus und verleiht dem Saal eine weitere Schicht akustischer Raffinesse. Gut versteckt liegen darin die Türen zur Bühne und zu den Sitzreihen auf der Galerie an beiden Längsseiten. Die Hauptzugänge bleiben deutlicher sichtbar. Sie befinden sich auf derselben Ebene wie das angrenzende Foyer im Süden, das wiederum stufenlos mit dem Aussenbereich verbunden ist. Über der Bühne sind die akustischen Hilfsmittel zusammen mit der Beleuchtung an schwarzen Stahlbögen aufgehängt, die sich an die Fachwerkbinder schmiegen. Alle Sitze sind graublau bezogen, was einen leichten Kontrast zu den Holztönen ringsum und im Dach bildet. Jede einzelne dieser Entwurfsentscheidungen ist präsent, aber nie aufdringlich.

Direkt an den grossen Konzertsaal schliesst die ehemalige Kapelle an, die heute als Garderobe dient. Zwischen Innen und Aussen vermitteln das Foyer im Herzen des Musikzentrums und ein Café im Norden. Die Innenräume beider Gebäude wurden von Studio Helder und Onbetaalbaar mit besonderem Augenmerk auf der Wiederverwendung von Materialien entworfen. Im Südflügel aus dem 19. Jahrhundert kann ein anatomisches Theater für intimere Konzerte oder Vorträge genutzt werden, während das wunderschön renovierte anatomische Kabinett für kleinere Veranstaltungen, Vorträge oder sogar Ausstellungen geeignet ist. Etwas versteckt im hinteren Teil befindet sich das "Kraakhuis": ein kleineres Krankenzimmer aus dem 16. Jahrhundert, das heute für Kammermusik eingerichtet ist.

Das grosse Verdienst des Projekts von DRDH und Harrap ist vielleicht diese selbstbewusste Balance zwischen Präsenz und Bescheidenheit. Sie haben erkannt, welche Eigenschaften den Saal für klassische Konzerte in der lokalen Musikszene attraktiv machten. Grob zusammengefasst, liegt es primär am schönen Dach, unter dem die Menschen gerne gemeinsam klassische Musik geniessen. In ihrem Bemühen, das Erlebnis zu verbessern, versuchten sie weder, das Bestehende zu überwältigen, noch liessen sie sich selbst vom Bestehenden überwältigen. Musikalisch ausgedrückt, ist ihr neues unteres Raumdrittel ein harmonisches Gegenstück zu der Melodie, die sich im mittelalterlichen Dachstuhl längst etabliert hatte. Denn wie die Musik ist gute Architektur eine Frage des Zuhörens, aber auch der Performance. Vor allem, wenn es sich um historische Gebäude und etablierte Kultureinrichtungen handelt – oder um beides, wie in diesem Fall.

Das Soziale an der Musikaufführung

Das bringt mich zurück zu Christopher Small und seinem Buch Musicking. Das zentrale Argument seines Buchs – und auch der Sinn seines Titels – besteht darin, Musik als Verb und nicht als Objekt zu betrachten. Er wendet sich von der Tendenz der klassischen Musik ab, die oft stark theoretisiert wird. In der Abstraktion werden meist die sozialen Werte und die Bedeutung von Aufführung und Zuhören übersehen. Small legt in diesem Sinne grossen Wert auf die Räumlichkeit der Musik. Mit der Entwicklung der klassischen Musik hat sich auch der Raum der Aufführung verändert, besonders die Schwelle zwischen Publikum und Performenden. Die Gestaltung dieser Schwellen ist mit der Gestaltung von Aufführungsräumen verwoben und beeinflusst unmittelbar das Gefühl der Exklusivität der aufgeführten Musik.

Im Bijloke Konzerthaus hingegen gibt es eindeutige Anzeichen der Inklusivität. Einige der fehlenden Schwellen sind sicherlich zufällig, da es sich um ein historisches Gebäude handelt. So gibt es keine nennenswerte Schwelle zwischen dem Altbau und dem umliegenden Campus – wahrscheinlich, weil es ursprünglich eine Krankenstation war. Zudem ist die Architektur eindeutig gotisch und daher vertraut - vielleicht sogar verehrt. Dennoch weist sie keinerlei religiöse Konnotationen auf. DRDH und Harrap scheinen dieses Thema der minimalen Schwellen aufgegriffen zu haben. Trotz des ansteigenden Gestühls, das sie eingeführt haben, ist die wahrgenommene soziale Distanz zwischen Publikum und Performenden bemerkenswert gering. Beide Gruppen sitzen unter einem gemeinsamen Horizont der Eichenvertäfelung. Vor allem aber ist die Gestaltung des Umbaus untypisch unprätentiös für einen Veranstaltungsort ernster Musik, aber dennoch würdevoll.

So, wie klassische Musik tendenziell übertheoretisiert wird, neigt vielleicht auch die Bühnenarchitektur dazu, sehr aus einer akustisch-technischen Perspektive betrachtet zu werden. Akustik ist freilich wichtig, wie DRDH, Harrap und Arup in Gent gezeigt haben. Aber was ihre Arbeit so bemerkenswert macht, ist, dass sie die soziale Dimension der Musik – das Musicking – mindestens ebenso sehr prägt wie ihre Frequenzen.

Petrus Kemme (1992) hat an der Universität Gent studiert. Er arbeitete kurz in einer Buchhandlung, bevor er 2018 Projektmanager am Flanders Architecture Institute VAI wurde. Seit 2019 ist er dort Projektkoordinator und Mitherausgeber des Architekturjahrbuchs Flandern und Kurator von Table Setting, einer Ausstellungsreihe für junge Architekturschaffende.

Aus dem Englischen von Roland Züger Originaltext

Annonce

Plus d'articles