JAS Nº 66 – Thomas De Geeter Architektur, Zürich

Old School

Die Schulerweiterung im Berner Seedorf von Thomas De Geeter (1985) hat eine Debatte auf der Redaktion dieser Zeitschrift entfacht. Darf man so unverschämt historistisch bauen? Unsere Meinung: Wenn es architektonisch hilft, wohlan. Wo soll die Stilpolizei (gibt es die überhaupt noch?) denn hinschauen, wo alles von Diversity spricht? Wir finden, de Geeters Räume sind zweifellos gelungen, aussen wie innen. Und seine historistisch gemünzte Erweiterung bildet mit dem Bestand zusammen eine Einheit.

— Roland Züger, 23.06.2021

Was ist Deine Herkunft, was hat Dich geprägt?

Studiert habe ich an der Universität Antwerpen, wo man sich in den ersten Semestern den Gründern der modernen Architektur widmete. Meine Vorliebe für klare Strukturen stammt aus dieser Zeit. Das Denken in Konzepten, die den Entwurf von A bis Z prägen, wurde hier sehr gefördert. Während eines Austauschsemesters in Graz 2006 eröffnete mir Andreas Hild dann die Welt der Analogen Architektur. Nach meinem Abschluss in Antwerpen und anschliessendem Praktikum bei HildundK in München schickte mich Andreas Hild an die ETH Zürich zu Miroslav Šik. Später sammelte ich Arbeitserfahrung bei Architekten, die auch durch die Schule der Analogen Architektur gegangen sind: Fiechter & Salzmann Architekten und Smolenicky & Partner.

Was ist Dir wichtig im Denken und Entwerfen?

Mein grosses Interesse an Analoger Architektur spiegelt sich in meiner Herangehensweise. Ich arbeite mit Bildreferenzen und beziehe mich auf teils triviale Elemente des Bestands oder der unmittelbaren Umgebung, die eine vertraute Wirkung auslösen. Diese Methodik steht teilweise im Widerspruch zu meiner Vorliebe für geometrisch starke und klare Formen. Die Zusammenführung von beidem, die Suche nach harmonischer und ruhiger Raumwirkung und der Anspruch, Architektur aus dem Ort zu entwickeln, führt dann über einen Zeitraum von etlichen Varianten zu einer Lösung.

Im Entwurfsprozess skizziere ich viel auf einem einfachen Schreibblock und im CAD-Programm. Die besten Varianten werden dann im Modell umgesetzt. Die hohe Anzahl der Varianten ist wohl der Angst geschuldet, eine bessere Lösung zu verpassen. Allerdings führt deren Prüfung und Ausschluss auch zu mehr Sicherheit in der Wahl. Parallel dazu gehe ich das Wettbewerbsprogramm akribisch durch und hinterfrage es auch auf die Gefahr hin, dafür vom Wettbewerb ausgeschlossen zu werden. Ich gehe lieber mit einer starken Idee ins Rennen als mit dem strategisch sinnvollsten Projekt.

Und wie zeigen sich diese Aspekte konkret in einem von Euch ausgewählten gebauten Projekt?

Für mein erstes gebautes Werk – ein ergänzendes Schulgebäude im Berner Seedorf – habe ich während des Wettbewerbs die Vorgaben hinterfragt: Ich schlug einen Ersatzneubau am Standort des bestehenden Kindergartens vor, der Schule und Kindergarten unter einem Dach vereint. 

Das zu einem Schuldorf verdichtete Ensemble bildet einen dreiseitig gefassten Pausenhof mit starkem Bezug zur umgebenden Juralandschaft. Respektvoll ordnet sich der Neubau unter und bewahrt damit die für den Ort identitätsstiftende Präsenz des Altbaus.

Die ortsübliche Architektursprache und die ehrwürdige Massivität des Altbaus haben wir in eine zeitgemässe Nutzung überführt und für den Neubau in Holz übersetzt. Darüber hinaus erinnert der hölzerne Säulenvorbau an das ehemalige Gemeindehaus in Seedorf.

Der Holzneubau ist geprägt vom Konzept der historischen Kontinuität. Er bewahrt aber dennoch eine eigenständige Formensprache und harmoniert durch das farbliche Gesamtkonzept und der Dachform mit dem Bestand. So entsteht eine Ortsidentität, an die weiter angeknüpft werden kann.

Ersatzneubau Schulensemble, Seedorf

Thomas De Geeter Architektur, Zürich

www.tdga.ch

Wilerstrasse 2, 3267 Seedorf; Bauherrschaft: Einwohnergemeinde Seedorf; Chronologie: Wettbewerb 2016, Planungsbeginn 2017, Baustart 2018, Bezug 2019; Fotografen: Martina Meier (Portrait), Lucas Peters, Damian Poffet

 

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