JAS Nº 22 – Demuth Hagenmüller & Lamprecht Architekten, Zürich

Weiterbauen an der Stadt

«Zürich ist gebaut», hiess es in den 1980er Jahren – für das Zürich des 19. Jahrhunderts galt die Losung auf jedenfall. Dass sich selbst in diesen stabilen Quartieren noch etwas zum Besseren wenden kann, zeigt ein radikaler Umbau an der Zentralstrasse für 40 Wohnungen und 4 Gewerberäumen im Sockel.
Lilian Demuth, Sandra Hagenmüller und Andreas Lamprecht demonstrieren dort mit ihrem Erstling, wie aus einem gesichtslosen Bau nach einer umfassenden Bearbeitung ein Betrag zur Stadt entsteht.

— Roland Züger, 30.01.2018

Was ist Eure Herkunft?

Aufgewachsen in der Stadt ist der Umgang mit Stadträumen bis heute unsere grosse Leidenschaft. An der ETH bildeten uns Peter Märkli, Miroslav Šik und Hans Kollhoff aus. Für Knapkiewicz & Fickert und Darlington Meier haben wir gearbeitet – ihre Denkweise prägt uns bis heute.

Was ist Euch wichtig im Denken und Entwerfen?

Wir sind stille Betrachter mit wildem Geist – wir versuchen einen Ort zu verstehen: seine Geschichte, seinen Rhythmus, sein Gefüge zu erkunden. Wir interpretieren und diskutieren, werfen intuitive Assoziationen ein und bilden uns so unser Gestaltungsgerüst. Der nicht gebaute Raum ist uns dabei ebenso wichtig wie das Gebaute, wenn nicht sogar wichtiger. Bauten, die sich nur auf sich selbst beziehen, interessieren uns nicht. Wir glauben an die Permanenz der Schönheit in der gebauten Welt. Von ihr hängt letztlich ab, ob Gebäude die Zeit überdauern.
Der praktische Nutzen ist dabei weniger wichtig als gemeinhin angenommen. Die Erfahrung mit Harmonie und Proportion ist in jedem Menschen vorhanden, da er täglich im Austausch mit seiner physischen Umwelt steht. Wir sind überzeugt, dass sich die Erstellung von durchdachten und wohlproportionierten Bauten, die sich an ihrem Ort behaupten, für alle Seiten lohnt. Wir wünschen uns, dass beim Bauen Eile und Effizienz nicht immer das letzte Wort haben. Bauten sollten ihren Bewohnern einen neuen Zeitschirm aufspannen, unter dem es sich angeregt und glücklich verweilen lässt.

Wie zeigen sich diese Aspekte konkret im Projekt Zentralstrasse?

Typische Bauten des ausgehenden 19. Jahrhunderts prägen das Blockrandquartier mit aufwändig gestalteten, dekorativen Fassaden. Im Gegensatz dazu stellt die Liegenschaft an der Ecke Zentral- und Bremgartnerstrasse eine Ausnahme dar. In den 1970er Jahren als pragmatischer, spekulativer Gewerbebau mit einer Stützen-Plattenstruktur und durchgehender Fensterbänderung konzipiert, brach er mit dem homogenen Strassenbild. Diesen Umstand sahen wir als Chance, einerseits das Potential der baulichen Struktur zu nutzen und andererseits die Sonderstellung des Gebäudes neu zu interpretieren. Das Gebäude wurde auf seine Grundstruktur zurückgebaut. Die neuen Innenwände spielen sich vom bestehenden Stützenraster frei.

Was wird von diesen Massnahmen auch aussen sichtbar?

Auf städtebaulicher Ebene sind es Kleinigkeiten in Form von schiefwinkligen Erkerausstülpungen, die den Hochbau im Strassengeviert verorten und die Bewegtheit der inneren Figur nach aussen treten lassen.

Wie wurde die Herausforderung der Bautiefe angegangen?

Dem Mangel an Belichtung bei einer Tiefe bis zu 26 Metern begegneten wir mit einem Hof als Lichtkörper, der sich über die Geschosse hinweg entwickelt und in wandelbarer Weise den unterschiedlichen Gebäudetiefen anpasst. 

Welche Ideen führten zu dieser tektonischen Fassade?

Wie der Grundriss wurde auch die Fassade aus der Grundstruktur des Bestands heraus entwickelt und baut auf dieser auf. Mit dem Prinzip der «Überblattung», also dem Übereinanderlagern von gefalteten Elementen fanden wir zu einem konstruktiv schlüssigen Fügungsprinzip ohne sichtbare Vertikalfugen. Eine feine Profilierung der eingefärbten Elemente aus Glasfaserbeton verleiht dem Gebäude etwas Elegantes und Geschmeidiges, gar Textiles.

Stadthaus in Zürich

Demuth Hagenmüller & Lamprecht Architekten, Zürich

http://dh-et-l.ch/wp/

Stadthaus in Zürich

Zentralstrasse 37, 8003 Zürich; Bauherrschaft: Moser Bau Immobilien, Zug; Chronologie: Wettbewerb 2011, Planungsbeginn 2012, Bezug 2016–17; Fotograf: Andreas Buschmann

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