JAS Nº 17 – Stich & Oswald, Basel und Zürich

Die Themen der Klassiker weiter entwickeln

Hinter der Geschichte vom langgestreckt eleganten Atelierbau aus Holz von Sebastian Stich (1984) und Hannes Oswald (1981) lauern Prototypen rätselhafter Objekte von grösserem oder kleinerem Gebrauchswert. Die Arbeiten der beiden in Basel und Zürich tätigen Architekten sind kraftvoll, raffiniert und vielfältig lesbar.

— Tibor Joanelly, 22.08.2017

1. Was ist Eure Herkunft?

Geprägt sind wir vermutlich am stärksten durch die Architektengeneration, die das Bild einer «Schweizer» Architektur mit grundsolider konstruktiver Haltung und städtebaulicher Präzision international positioniert hat und teilweise immer noch zu repräsentieren scheint: Jacques Herzog & Pierre de Meuron, Peter Zumthor, Peter Märkli, Roger Diener und Luigi Snozzi – oder Bruno Reichlin, Martin Steinmann und Marcel Meili mit ihren Texten. Uns begleitet in der Konsequenz die Frage, wo deren Ideale, zu Unrecht in Vergessenheit geraten, sorgfältig gepflegt werden sollen – oder wo diese Haltungen angestaubt sind und kommenden Generationen Freiheiten eröffnen.

2. Was ist Euch wichtig im Denken und Entwerfen?

Beim Entwickeln erster Entwurfsideen lassen wir intuitiven Vorstellungen freien Lauf. Reiseeindrücke, Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Künstlern oder technische Hypothesen werden so Ausgangslage intensiver Skizzen- und Modellarbeit, mit der wir im Wesentlichen Ideen physisch vergegenwärtigen. Der eigentliche Entwurfsprozess liegt dann im Beobachten, Reflektieren, im Üben instinktiver oder intellektueller Kritik und dem einhergehenden Schärfen eines architektonischen und damit gegenständlichen Projekts. Ein gutes Team, kompetente Handwerker und Fachplaner, die ihr spezifisches Wissen und Können einbringen, sind ein wesentlicher Teil dieses Prozesses.

3. Und wie zeigen sich diese Aspekte konkret in einem von Euch ausgewählten gebauten Projekt?

Das Haus A in Eschlikon entstand aus der Idee, einen grossen Garten im Dorfkern mit einem langen Satteldach aus Wellblech von der stark befahrenen Hauptstrasse abzugrenzen und damit zwei autonome Atelierräume zu überdachen.
Der strenge Rhythmus der Tragstruktur des Dachs ist wie der Grossteil des Baus in unbehandelter Fichte ausgeführt. Strassenseitig ist er mit der präfabrizierten Wandkonstruktion zu einer fein reliefierten Fassade verwoben. Die Deckenelemente der Ateliers haben wir in unterschiedlichen Formaten in die Dachbalken eingelassen und gegeneinander versetzt. Ähnlich einem grossformatigen Ornament sind diese Elemente in der Verschalung der Decke nachgezeichnet. Die zu einem Band addierten Fenstertüren liegen hinter den Dachpfosten zurück und öffnen panoramische Blicke in den Garten. Hier werden die sichtbare Unterkonstruktion des Dachs und die hölzerne Plattform, auf der die Ateliers liegen, zur grossmassstäblichen Raumbegrenzung. Die Atelierböden aus geschliffenem Hartbeton sind um eine halbe Stufe erhöht und intensivieren den visuellen Bezug zum Garten. Küche und Badezimmer sind aus den Konstruktionsprinzipien des Steinbodens sowie der Wandverschalungen abgeleitet und erscheinen damit als integrativer Bestandteil des Hauses.
Die Besonderheit des Hauses A ist, dass die im Entwurfsprozess zusammen mit den Unternehmern entwickelte konstruktive Logik bis ins Detail mit der Einfriedung des Gartens als stadträumlicher Ursprungsidee verknüpft ist. Die Holzterrasse, die auf eingezogenen Streifenfundamenten über dem leicht abfallenden Gartengelände zu schweben scheint, ist auf dieser Ebene Gegenstück des Satteldachs. Während die gestaffelten Zwischenräume der asymmetrisch positionierten Ateliers ausgewählte Sichtbezüge zwischen Garten und Dorf erhalten, erzeugt die offene Primärstruktur mit ihren übergeordneten, horizontalen Abschlüssen durchgehend angemessene Distanz zwischen beiden Bereichen.

Stich & Oswald, Basel und Zürich

www.stichundoswald.ch

Wiesenstrasse 1, Eschlikon TG; Direktauftrag; Bauherrschaft: Privat; Architektur und Bauleitung: Stich & Oswald; Hannes Oswald, Sebastian Stich, Samuel Imbeck, Lukas Stadelmann; 2015-2016; Holzbau: Kaufmann Zimmerei und Tischlerei, Reuthe (AT); Schreinerarbeiten: Ueli Frischknecht, St. Gallen; Hartbetonbeläge: Fiechter + Fuchs, Neftenbach; Metallbau: Tobias Lenggenhager, Lömmenschwil; Fotos: Walter Mair, Basel

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