JAS Nº 68 – knüselleibundgut Zürich / Basel

Behaglichkeit statt Spektakel

Ihr fein gestalteter Erstling ist tatsächlich selbst für Ortskundige erst auf den zweiten Blick erkennbar. Einer Schule aus den 1970er Jahren in Altdorf haben sie einen Kopfbau vorangestellt und zusammen mit einem neuen Pavillon am Beziehungsgeflecht auf dem Areal weitergestrickt. Angereichert mit spielerischen Details und heiteren Farben erscheint selbst der alte Bestand in neuer Frische.

— Roland Züger, 01.11.2021

Was ist Eure Herkunft?

Nach gemeinsamer Studienzeit in Basel und Paris arbeiteten wir beide in Architekturbüros, die mit einem ähnlichen Anspruch Architektur schaffen. Diese Lehrjahre und die gewonnenen Erfahrungen sind eine wichtige Grundlage für unser heutiges Arbeiten. Das gegenseitige Bestärken einer eingenommenen Haltung, aber auch das kritische Hinterfragen des Andern empfinden wir als grosse Bereicherung.

Durch unser gleichzeitiges Engagement in Lehre, Architekturforen aber auch mit Kommentaren in Fachzeitschriften, versuchen wir einen Beitrag zum Diskurs zu leisten, eine Haltung einzunehmen und diese darzulegen.

Was ist Euch wichtig im Denken und Entwerfen?

Wir versuchen, unsere Umwelt mit grossem Interesse am Vorhandenen zu lesen. Unser Ziel ist es, daraus Inspiration für Neues zu erhalten und jeweils eine Architektur von und für den spezifischen Ort zu entwerfen. Gleichzeitig wollen wir uns diesem nicht unterordnen, sondern suchen eine eigenständige, zeitgemässe Ausdrucksform, die den vorhandenen Qualitäten mit viel Empathie begegnet.

Uns ist die Behaglichkeit des Menschen im geschaffenen Raum wichtiger als das architektonische Spektakel. Die Nutzerinnen und Nutzer eines Bauwerks sind stets der Ausgangspunkt für baukünstlerische Entscheidungen. Ausserdem interessieren uns handwerklich bewährte Details mehr als die vermeintliche Innovation. Daher setzen wir auf materielle und konstruktive Integrität. Dies soll eine Langlebigkeit garantieren und die natürliche Schönheit des Materials zeigen.

Und wie zeigen sich diese Aspekte konkret in einem von Euch gebauten Projekt?

Ein Erweiterungsbau bildet einen neuen Kopf für das Schulhaus Hagen in Altdorf. Dieser bezieht sich ganz im Sinne des Weiterbauens auf die Identität des Ortes und dessen Massstäblichkeit. Entsprechend dem städtebaulichen und grundrisstypologischen Thema galt es, für die Erweiterung einen Ausdruck zu finden, der die Rasterung und Schlichtheit des Bestandes fortsetzt, gleichzeitig aber eine eigene, zeitgemässe Identität entwickelt.

Wir haben einzelne Motive und Stimmungen aus dem Kontext aufgenommen und neu interpretiert. Bereits bei der ersten Besichtigung berührte uns das benachbarte Schulhaus Bernarda von Fritz Metzger aus der Nachkriegsmoderne besonders. Mit einer feinen Detailierung, natürlichen Materialien und verspielten Elementen schaffte Metzger eine Architektur, die Empathie und Behaglichkeit ausstrahlt und die unserer Ansicht nach bis heute ihre Gültigkeit hat. So verfolgten wir die Absicht, im nüchternen, rigiden Schulhaus Hagen mit wenigen Eingriffen ähnliche gestalterische und räumliche Mehrwerte zu schaffen. Durch neu hinzugefügte Elemente, wie den sorgfältig gestalteten Einbauten, den runden Guckfenstern in den Türen oder den Tiermotiven in den Metallbauarbeiten, erhält der gesamte Innenraum eine verspieltere, kindergerechte Atmosphäre.

Erweiterung Schulhaus Hagen

knüselleibundgut Zürich / Basel

http://knueselleibundgut.ch

Adresse: Bahnhofstrasse 36, 6460 Altdorf; Bauherrschaft: Gemeinde Altdorf; Chronologie: Offener Projektwettbewerb: 2017, Planungsbeginn: 2018, Baubeginn: März 2019, Bezug: August 2020, Fotos: Rasmus Norlander (Projekt), Gabi Vogt (Porträt)

Annonce