JAS Nº 45 – by JUNG, Biel/Bienne

Von Flims nach Biel

Anlässlich der Bohrungen zum JAS in allen Landesteilen («Netzwerke der Jungen», wbw 1/2–2020) sassen Nathan Ghiringhelli und Jonas Ulmer am Tisch im Wallis. Damals verfügten sie weder über einen Namen noch eine Webseite für ihr gemeinsames Büro, das sie in Biel führen. Deswegen präsentieren wir zum Auftakt einer zweiten Blütenlese aus dem Netzwerk-Heft taufrisch das Büro: by JUNG.

— Roland Züger, 13.03.2020

Was ist Eure Herkunft?

Nach dem Studium haben wir mehrere Jahre bei Valerio Olgiati in Flims gearbeitet. Seit 2015 wohnen und arbeiten wir in Biel. Momentan arbeiten wir an mehreren privaten Wohnhäusern im Tessin, Emmental und in Zürich. Das Thema Wohnen basiert auf persönlichen Bedürfnissen und Vorlieben und hat dadurch etwas sehr Individuelles. Das interessiert uns.

Was ist Euch wichtig im Denken und Entwerfen?

Wir wollen Gebäude entwerfen und bauen, die einen individuellen Charakter haben und dadurch gegenüber dem Ort und der Aufgabe eine klare Haltung zeigen. Wir glauben, dass gute Architektur weder vom Budget abhängig ist noch von der baulichen Aufgabe und auch nicht vom Ort. Jede Aufgabe hat ihren eigenen Inhalt und ihre spezifischen Anforderungen. Diese wollen wir ergründen und möglichst genau benennen. Hier setzen wir den Fokus und beginnen unseren Arbeitsprozess. Die passende Lösung muss erfunden oder zumindest gesucht werden. Wir suchen inhaltlich und formal nach Themen, die das Gebäude gesamthaft prägen und ihm seine eigene Identität verleihen.

Nebst den praktischen und funktionalen Anforderungen wollen wir die Instinkte und Emotionen der Menschen anregen. Deshalb spielen für uns räumliche Aspekte schon früh in der Entwicklung eine zentrale Rolle. Dabei untersuchen wir, wie man sich im Haus bewegt und was dabei wahrgenommen wird. Hier spielen Formen, Farben, Materialien, der Bezug zur Umgebung und zum gesamten Haus eine wichtige Rolle. Jedes Gebäude ist letztendlich eine Gesamtkomposition, die langfristig Freude bereiten soll.

Wie zeigen sich diese Aspekte konkret in einem von Euch ausgewählten Projekt?

Das Haus befindet sich am Monte Brè oberhalb des Lago di Lugano. Das Grundstück liegt steil am Hang direkt an der Hauptstrasse. Auf Strassenniveau gibt es keine Hinweise auf ein Haus. Gebaut ist nur eine befahrbare Plattform aus Beton mit einer runden Aussparung, aus der das obere Ende einer Spindeltreppe hinausragt. Die Treppe ist zugleich Erschliessung und Vorraum für das darunterliegende Haus. Eine schlanke Säule mit rotem Anstrich steht symbolisch für das «fehlende» Haus und schafft eine formale Verbindung zum Innenraum.
Unterhalb der Plattform, eingebettet im Hang, liegt ein rund 30 Meter langes Wohngeschoss. Mit dem Hinabsteigen verschwindet der Bezug zur Strasse und der unmittelbaren Umgebung. Der Raum hat privaten und schützenden Charakter. Die überraschende Grösse resultiert aus dem systematischen Rückbau sämtlicher nichttragender Bauteile. Die abgetreppte Kontur der Rückwand verdeutlicht die langgezogene Geometrie und verbindet den beheizten Innen- mit dem gedeckten Aussenbereich. Die Südfassade ist durchgehend geöffnet und zur Hälfte verglast, mit Sicht über den Lago di Lugano. Die wechselnden Wetterlagen prägen und verändern den Raum.

Ein komplett blau gestrichenes Volumen gliedert den Hauptraum in unterschiedliche Bereiche und bildet ein Zentrum und einen Rückzugsort mit klarer Geometrie und diffusen Konturen. Hier tritt die Architektur zurück und es bleibt die Präsenz des Fernblicks, der Umgebung. Das darunterliegende Geschoss ist über eine interne Treppe erreichbar und verfügt über drei Schlafzimmer.

Das Gebäude berücksichtigt die Gegebenheiten des Ortes und die spezifischen Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner. Die Art der Erschliessung basiert auf den topographischen und baurechtlichen Vorgaben. Der Wunsch nach einem grossen Wohnzimmer mit Aussicht und mit separater Bibliothek bildet die Grundlage für den zusammenhängenden Innen- und Aussenraum.

House with a Blue Room, Aldesago

by JUNG, Biel/Bienne

www.byjung.ch

House with a Blue Room, Aldesago

Umbau; Bauherrschaft: privat; Architektur: by JUNG, Nathan Ghiringhelli und Jonas Ulmer; Mitarbeit: Mattia Arigoni; Direktauftrag, 2015–20; Bilder: by JUNG 2020

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