JAS Nº 39 – AM Architects, Luzern

Mumbai-Rotkreuz einfach

Rotkreuz wächst zum Mekka der grünen Wohnhochhäuser. Unweit vom Zwillingsturm auf dem Suurstoffi-Areal ist ein kleines Turmtrio entstanden, das in mutigen Farben in die Zukunft strahlt. Nicht nur die ambitionierte Umbauidee der Hochkonjunktur-Zeugen sondern auch der besondere Lebenslauf des dafür verantwortlichen Architektenpaars ist eine genauere Betrachtung wert. Ji Min An (1985), eine koreanische Neuseeländerin und der Innerschweizer Philippe Müller (1985) haben sich im Studio Mumbai von Bijoy Jain in Indien getroffen. Den Rest erklären sie selber.

— Roland Züger, 08.10.2019

Was ist Eure Herkunft?

Philippe ist in Rotkreuz in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Nach seiner Zeichnertätigkeit studierte er Architektur an der Hochschule Luzern mit einem Auslandssemester an der NTNU Trondheim in Norwegen. Ji Min wurde in Südkorea geboren und wuchs als Kind fünf Jahre lang in Saudi-Arabien und später in Neuseeland auf. Ihr Architekturstudium schloss sie an der Unitec Auckland mit einem Austausch am CEPT in Ahmedabad ab.

Getroffen haben wir uns im Studio Mumbai. Denn Indien war der Ort, von dem wir beide aus ähnlichen Gründen, in einem ähnlichen Zeitraum, von verschiedenen Seiten der Welt angezogen wurden. Das erforderte einige Langstreckenflüge hin und her, gefolgt von einer weiteren Zeit in Mumbai, in der Ji Min bei Case Design an der Mädchenschule Avasara Academy (wbw 7/8–2018) mitarbeitete, während Philippe das Feld in der Schweiz bereits vorbereitet hat. Nach einem Direktauftrag für ein Projekt in Rotkreuz sind wir vor vier Jahren in die Schweiz gezogen und haben 2017 unser Studio in Luzern gegründet.

Was ist Euch wichtig beim Entwerfen?

Es ist ein Privileg und mit viel Demut verbunden, dass wir als Architekten Teil eines unglaublich vielfältigen Prozesses sind, der es möglich macht, die gebaute Umwelt und die Art und Weise wie Menschen ihr Leben führen, positiv zu beeinflussen. Wir vertrauen darauf, dass jedes unserer Projekte sein Potenzial aus seiner inhärenten Erzählung schöpft. Und je aufmerksamer wir sowohl die materiellen als auch die immateriellen Erzählungen des Kontextes beobachten, desto mehr kann dieses ausgeschöpft werden. Und damit wird auch die Richtung klar, die wir mit einem Entwurf einschlagen müssen. 

Doch bis es so weit ist, starten wir mit unseren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen bei einem Entwurf oft aus gegensätzlichen Welten. Um zu einem Resultat zu gelangen, sind wir gezwungen, unsere Komfortzonen zu verlassen und neue Möglichkeiten zu finden, quasi für einen dritten Weg. Unser beider Aufenthalt in Indien hat dabei durchaus geholfen zu reflektieren, was relevant ist und was nicht.

Wie zeigt sich das im gebauten Projekt?

Die drei Wohnblöcke an der Berchtwilerstrasse in Rotkreuz waren die ersten Hochhäuser der Gemeinde. 1973 gebaut, sollte nun der Standard in diesen Wohnungen durch die Erweiterung der Balkone verbessert sowie die äussere Dämmschicht den aktuellen Energiestandards angepasst werden.

Unabhängig von Methode oder Medium glauben wir, dass die grösste Form der Nachhaltigkeit darin besteht, Werke von bleibendem Wert zu schaffen. Das heisst: renovieren statt ersetzen. Ein Abriss bedeutet, das Anfangskapital eines Bauwerks zu zerstören. Nicht nur wirtschaftlich betrachtet, sondern auch im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit und die im Laufe der Jahre gewachsenen wertvollen zwischenmenschlichen Beziehungen der Bewohner. So blieben an der Berchtwilerstrasse sämtliche Wohnungen während des Renovationsprozesses bewohnt, denn einige Bewohner sind vor 44 Jahren dort als erste Mieter überhaupt eingezogen.

Rotkreuz Highlife

AM Architects, Luzern

https://www.amarchitects.ch

Rotkreuz Highlife

Berchtwilerstrasse 1, 3, 5, 6343 Rotkreuz; Bauherrschaft: Rotkreuzhof Immobilien AG; Architektur: AM Architects, Luzern; Chronologie: Planungsbeginn 2015, Fertigstellung Haus 3 und 5 2017, Fertigstellung Haus 1 2018, Fertigstellung Umgebung 2019; Fotografie: Ariel Huber, Lausanne

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