Ja zum CO2-Gesetz!

Die Klimaerwärmung ist die vielleicht grösste und dringlichste Herausforderung für die Welt, das wird fast von Tag zu Tag deutlicher. Doch obwohl wir die dramatischen schmelzenden Gletscher direkt vor Augen haben, ist die Schweiz bei der Reduktion der Treibhausgase bislang nicht gut unterwegs. Seit 1990 hat sie die Emissionen um nur 14 Prozent gesenkt, sie muss ihre Anstrengungen dringend verstärken.

Ein Schritt in die richtige Richtung

Das neue CO2-Gesetz, über das wir im Juni abstimmen, kommt daher keinen Moment zu früh. Statt wie bisher um 20% sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 50% reduziert werden. Das Gesetz erfüllt zwar bei weitem nicht alle Erwartungen und genügt vermutlich nicht, um die in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Erstmals wird eine Abgabe auf Flugtickets eingeführt, und auch die Finanzwirtschaft muss zur Reduktion der Emissionen mit beitragen.

Das neue CO2-Gesetz operiert nicht mit Verboten, sondern mit marktwirtschaftlichen Instrumenten. Der Ertrag aus den Lenkungsabgaben wird zu zwei Dritteln an die Bevölkerung zurückerstattet, und die Fördermassnahmen des Gebäudeprogramms kommen Gewerbe und Wirtschaft zugute.

Zu den Enttäuschungen im neuen Gesetz gehört, dass weiterhin keine Lenkungsabgabe auf Treibstoffe (Benzin, Diesel) erhoben wird. Dies, obwohl im Bereich des Verkehrs die Emissionen seit 1990 nicht gesunken, sondern gestiegen sind, trotz effizienterer Motor- und Fahrzeugtechnik. Hier werden zwar Treibstoffimporteure in die Pflicht genommen, aber noch immer nicht die einzelnen Autofahrerinnen und -fahrer. Und leider ist auch in Zukunft der Einbau von fossilen Heizanlagen in der Schweiz immer noch möglich – es gelten jedoch Einschränkungen, und Neubauten müssen auf einen emissionsfreien Betrieb ausgelegt werden. Immerhin.

Das Gesetz kann nur ein Anfang sein

Auch das neue Gesetz führt bei weitem nicht zu Netto-Null, wie das die Klimastreik-Bewegung in ihrem Climate Action Plan CAP fordert (wir werden diesen zusammen mit Hochparterre in der Reihe CAP talks demnächst hier diskutieren). Das heisst: Die Schweiz befeuert auch weiterhin die Klimaerwärmung und wird mit deren Folgen leben müssen: mit dem Schwund der Gletscher, dem Tauen des Permafrosts, mit immer häufigeren Sommerdürren, aber auch Hochwasser- und Sturmkatastrophen. Noch viel existenzieller werden andere Weltregionen betroffen sein – Inseln, Küsten- und Deltalandschaften rund um den Globus, Trockengebiete wie der Sahel oder der indische Subkontinent. Für einen grossen Teil der Menschheit hat der Klimawandel lebensbedrohende Dimensionen. Erstmals haben daher Wissenschafter einen offiziellen Aufruf zur Unterstützung des neuen CO2-Gesetzes lanciert.

Der (Import-)Konsum ist das Kernproblem

In den letzten Jahrzehnten hat die Schweiz zwar durchaus Verbesserungen erreicht. Die Emissionen im Gebäudebereich sind seit 1990 um 34% gesunken, in der Industrie um 14%(in der besonders betroffenen Zementindustrie sogar um rund 50%). Trotzdem verursacht die Schweiz immer noch jährlich 46,2 Tonnen CO2-Äquivalente, das sind 5,5 Tonnen pro Kopf der Bevölkerung. Diese Zahl erfasst jedoch nur die im Inland erzeugten Treibhausgase. Addiert man die durch Importgüter und Flugreisen im Ausland verursachten Emissionen hinzu, beläuft sich das Total auf mehr als das Dopppelte: 14 Tonnen pro Kopf und Jahr! Das ist doppelt soviel wie der weltweite Durchschnitt – und mehr als das Zwanzigfache der planetaren Belastungsgrenze von 0,6 Tonnen pro Kopf. Das alles sind offizielle Zahlen, die das BAFU zusammengestellt hat. Sie bedeuten: Auch wenn in absehbarer Zeit Ölheizungen und Benzin- oder Dieselmotoren aus unserem Alltag verschwinden sollten – eine klimagerechte Wirtschaft und Gesellschaft erfordert einen wesentlich tiefgreifenderen Wandel, eine fundamentale Neuorientierung unserer Lebensweise. Davon ist bislang noch zu wenig die Rede.

— Daniel Kurz
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