Lehm-Ausstellungen in Zürich und Cham

Parallel zur aktuellen Ausgabe Lehm (wbw 6-2018) weisen wir Interessierte auf eine Doppelausstellung zum Lehmbau hin. Unter dem Titel «Pisé – Tradition und Potential» hat der Lehm derzeit gleich an zwei Standorten einen Auftritt: bis zum 21. Oktober im Ziegelei-Museum in Cham sowie bis zum 5. Oktober in der Schweizer Baumuster-Centrale in Zürich.

Hinter beiden Auftritten steckt Roger Boltshauser und sein Team (Marlène Witry und Janina Flückiger sowie Felix Hilgert), die einen Stand ihrer Lehmrecherchen zeigen. Im Fokus sind in Cham Entwürfe von Studierenden für einen Aussichtsturm aus Stampflehm für das Ziegelei-Museum. Die Frage, wie das Material Lehm in Kombination mit Ziegelsteinen sein Potential entfalten kann, stand im Mittelpunkt von Boltshausers Semester an der TU München. In der Baumuster-Centrale sind die Entwürfe der Studierenden der EPF Lausanne zu sehen, die aus Boltshausers Gastprofessur entstammen. Für einen Pavillon auf dem Gelände des Sitterwerks in St. Gallen entstanden Vorschläge in vorfabriziertem Stampflehm.

Studentenidee zur Vorspannung von Lehm

Wie Roger Boltshauser auch im Interview im Lehm-Heft von werk, bauen + wohnen erwähnt hat, basiert die Idee der Vorspannung von Lehm auf der Idee eines Studenten. Sein Name ist Philip Jonas Bürgi und sein Modell (Bild) kann in der Ausstellung der Baumuster-Centrale besichtigt werden. Er entwarf eine Hybridkonstruktion als Wand- und Deckensystem, bei der mehrere Stampflehmschichten zwischen schmale Holzbretter gefügt und mittels Stahlseilen verbunden sind.

Neben der Anregung in Form zahlreicher Modelle in unterschiedlichen Massstäben wartet in beiden Präsentationen auch eine Vorstellung eindrücklicher Lehm-Vorläufern aus Frankreich auf. In der Region Rhône-Alpes ist der Stampflehm seit dem 15. Jahrhundert bekannt.

Unbekannte Lehmspuren in der Ostschweiz

Spuren dieser Pisétradition führen über die Textilindustrie auch in die Ostschweiz. Grossformatige Fotos von Philip Heckhausen dokumentieren einige bis anhin des Lehms unverdächtige Bauten, beispielsweise diejenigen der Unternehmerfamilie Gonzenbach in Hauptwil, die im späten 17. Jahrhundert dort über 40 Häuser errichtet haben. Das Ökonomiegebäude hinter ihrem Familiensitz ist der erste bekannte Schweizer Pisébau, er geht nachweislich auf das Jahr 1664 zurück. Dank Aufschwung und Subventionen wachsen in der Folge auch Schul-, Kost- und Herrenhäuser in Lehm aus dem Boden. Naturgemäss alle verputzt und ohne eine eigene Architektursprache auszuformen.

Neue Sprache und neue Märkte für den Lehmbau

Das hat sich seit einigen Jahre geändert, es entstehen moderne Bauten in Lehm. Trotz wachsender Nachfrage ist der Markt noch sehr überschaubar. Aber ein Haus muss ja nicht immer komplett in Lehm gestampft sein. Ideal ist beispielsweise beim Innenausbau eines Holzhauses auf Lehmputze und Lehmleichtbauplatten zurückzugreifen. So sichert der Lehm die Feuchteregulierung im Holzgehäuse.

Deshalb sind einige Produkthersteller, wie in der Baumuster-Centrale üblich, auch in der Ausstellung präsent: Nebst den eindrücklichen Modellen aus Lehm mit ausgefallenen Zusätzen (wie Kohlestücken und Kohlesand) sowie den Probezylindern aus Flüssiglehm aus der Forschung der ETH Zürich von Guillaume Habert stehen auch Muster von Lehmputzen bereit. Das oberflächliche Streicheln mit der Fingerkuppe bestätigt: «Haga Premium» der feinste Lehmputz des Naturbaustoffhändlers (mit einem 0.1 mm Korn) und seine Glätte sind eine Freude für den Tastsinn.

So präsentieren sich in der Zürcher Ausstellung die neuen Seiten des altgediegenen Baustoffs. Das Zusammenspiel von wbw-Heft und Lehm-Ausstellung lassen die Potentiale des Lehmbaus greifbar werden.

— Roland Züger

Ziegelei-Museum Cham
Ziegelhütte, 6332 Hagedorn/Cham
bis 21. Oktober 2018
Mi. – So. 14–17 Uhr

Schweizer Baumuster-Centrale
Weberstrasse 4, 8004 Zürich
Mo.– Fr. 9–17.30 Uhr, Betriebsferien 23. Juli – 3. August 2018

Studentenentwurf für einen Pavillon mit einer vorgespannten Holz-Lehm-Hybridkonstruktion von Philip Jonas Bürgi.
© Roland Züger
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