Wir Kollektivbauer

Together! ist eine Ausstellung mit Ausrufezeichen. Weil sie das Bauen und Wohnen im Kollektiv nicht nur als Thema erstmals umfassend beleuchten, sondern auch propagieren will. Und die Grossschreibung der Neuen Architektur der Gemeinschaft im Untertitel der Schau zeugt davon, dass diese für ihre Macher eine Bewegung porträtiert. Eine «stille Revolution in der zeitgenössischen Architektur», wie es im Ausstellungstext heisst, die nun im Vitra Design Museum eine Dokumentation und ein Forum mit diversen Veranstaltungen erhält.
Das kuratierende Quartett Ilka Ruby, Andreas Ruby, Matthias Müller und Daniel Niggli hatte das Konzept ursprünglich für den Schweizer Pavillon an der letztjährigen Architekturbiennale erarbeitet. Das erklärt, weshalb Andreas Ruby, inzwischen Direktor des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel, nun mit einer Ausstellung gleich ennet der Landesgrenze fremdgeht. Und warum die Entwicklung von der Zürcher Hausbesetzerszene der frühen 1980er-Jahre zu den aktuellen gemeinschaftlichen Bau- und Wohnprojekten in Zürich und anderen Schweizer Städten eine zentrale Erzählung der Ausstellung ist.
Im Frank-Gehry-Bau erwartet den Besucher viel Anschauungs- und Selbsterfahrungsmaterial, das die Realitäten und Möglichkeiten gemeinschaftlichen Wohnens auf durchaus spielerische Art zeigt. Die Ausstellung führt durch vier sehr unterschiedliche Räume. Der erste bietet einen chronologischen Rückblick auf frühere Konzepte kollektiven Wohnens. Für den zweiten haben die Architekten vom Büro EM2N grossformatige Modelle von 25 aktuellen Wohnbauten aus aller Welt zu einer Art Nolli-Plan der kollektiven Stadt zusammengefügt. Der dritte Raum lässt die Ausstellungsbesucher probewohnen im 1:1-Modell einer fiktiven Clusterwohnung. Und zuletzt führt der Weg in einen Arbeitsraum, an dessen Tischen die Besucher ausgewählte Projekte gemeinschaftlicher Architektur detailliert studieren können. Und womöglich eigene Projekte andenken.
Denn die Ausstellung zielt darauf ab, Anstösse und Ideen zu vermitteln, wie sich durch gemeinschaftliches Wohnen aus einer räumlichen, ökonomischen oder sozialen Not eine Tugend machen lässt. Oder gar «eine Art Hedonismus», wie Andreas Ruby bei der Präsentation der Ausstellung sagte. Dazu muss ja nicht unbedingt die freie Liebe gehören wie in Charles Fouriers utopischen Phalanstères oder bei den Kommunarden der deutschen Studentenbewegung.

Together!
Die Neue Architektur der Gemeinschaft
bis 10. September 2017
Vitra Design Museum
Charles-Eames-Strasse 2, 79576 Weil am Rhein
Öffnungszeiten, Rahmenprogramm: www.design-museum.de

Katalog zur Ausstellung
Together!
Die Neue Architektur der Gemeinschaft
Mateo Kries, Ilka Ruby, Andreas Ruby, Matthias Müller, Daniel Niggli (Hg.)
352 Seiten, 443 Abbildungen
23 × 30.2 cm, Softcover
EUR 49.90
ISBN 978–3–945852–14–9

— Benjamin Muschg
© Hannes Henz
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