JAS Nr. 83 – Architekturkollektiv Filiale

Alltäglich heiter

Das Luzerner Architekturkollektiv gibt mit Lila Strauss auch eine Zeitschrift heraus. Hier sprechen die Gründungsmitglieder über Architektur und ein Haus, das Heterogenität und Vielfalt materialisiert.

Was ist eure Herkunft?

Wir kommen alle aus Häusern, die in den suburbanen Ecken – oder eher Flächen – der Schweiz stehen. Diese Orte setzten sich aus fragmentierten Räumen zusammen, die sich gemächlich zwischen Stadt und Land, Ordnung und Unordnung, Zonenplan und Vorplatzdekoration hin- und herbewegen.

Dieser vielstimmige Raum, von manchen als normale Langeweile abgestempelt, bildet für uns eine progressive,gelegentlich auch nostalgische Reibungsfläche, die unseren Ideen zu konkreten Formen verhilft.

Doch gerade kommen wir aus den Ferien. Ein paar Tage kräftiges Essen und grossartige Architektur – kurz – wir waren wieder einmal in Italien.

Was macht euch aus?

Wir bemühen uns, architektonische Räume zu entwerfen, die sich lustvoll und angemessen in unseren Alltag einmischen. Dabei wollen wir die Kraft von mehreren autonomen Ideen entfesseln. Diese sollen sich selbstverständlich mit dem alltäglichen Leben verweben, um so die vorhandenen, sozialen und gebauten Kontexte in Architektur zu verwandeln.

Erinnerungen, Konzepte, Sinnbilder oder Methapern fordern uns heraus – und helfen zugleich. Ebenso bemühen wir uns, einen die Disziplinen übergreifenden Dialog zu führen, der beispielsweise zwischen Philosophie und Handwerk oder zwischen Malerei und Soziologie oszilliert. Er formt unsere Projekte und findet in unserem Magazin Lila Strauss zusätzlichen Raum.

Im Denken vermeiden wir eine formale architektonische Haltung. Wohlwollend verstehen wir diese als Prozess und versuchen uns, in unserer Zeit und in unseren Räumen als politisch denkende Menschen einzubringen.

Wie zeigt sich dies im ausgewählten Bauprojekt?

Der Neubau ersetzt einen Teil eines Bauernhauses und steht in einem Quartier, das jenen unserer Kindheit gleicht. Auf drei Geschossen wird zusammengelebt. Unten bilden räumliche Elemente situative Figuren, eine Collage, die durch den Einzug der alltäglichen Gemütlichkeit erweitert wird. Ein hölzerner, knarrender Treppenturm schiebt sich an der eingezogenen Gebäudeecke hoch durchs Haus. Im ersten Obergeschoss wechselt die Raumordnung zu einem zellulären Prinzip. Durch Rotation und Progression entstehen Kreisläufe und Enfiladen. Beim Betreten der Kammern ein Geschoss weiter liegt das Dach jeweils sehr hoch, fällt dann steil ab und schafft so eine sehr intime Atmosphäre.

Das kleine Haus ist nicht top-down, es besitzt keine übergeordnete Idee im klassischen Sinn. Viel eher folgt es einem Hie-und-da-Prinzip – der Möglichkeit, zu einem Entwurf zu finden, der sich nicht durch puristische Gleichheit auszeichnet, sondern sich hauptsächlich von alltäglichen, vitalen und heiteren Lebensgefühlen leiten lässt.

Ersatzneubau Wohnhaus, Langenthal

Architekturkollektiv Filiale, Luzern

www.filiale-office.ch

Bauherrschaft: Privat
Architektur: Tobias Furter, Shehrie Islamaj, Mario Tschopp, Jana Mulle, Martin Furter
Bausumme total (BKP 1–9): CHF 640 000.–
Chronologie: Planungs- und Bauzeit: 2020 – 21

Anzeige