JAS Nr. 89 – Gaëtan Iannone

Fundamentaler Instinkt

Mit einem Hintergrund als Präzisionsmechaniker gründete Gaëtan Iannone (1992) vor vier Jahren sein eigenes Büro. In seiner Arbeit fokussiert er auf intuitive Aspekte des Raums und radikal gedachte Nachhaltigkeit. Dabei stellt er die Grenzen zwischen Architektur und verwandten Disziplinen in Frage.

Was ist Deine Herkunft?

Geboren und aufgewachsen in Fribourg, habe ich während meiner ersten Ausbildung als Präzisionsmechaniker eine Faszination für die taktile und haptische Wahrnehmung des Raumes entdeckt. Anschliessend habe ich Architektur an der EPF Lausanne, der TU Dresden und der ETH Zürich studiert. Parallel zu meiner Praxis unterrichte ich seit 2022 Entwurf sowie Gebäudetechnik an der Berner Fachhochschule, Fachbereich Architektur.

Was ist Dir wichtig im Denken und Entwerfen?

Der Schwerpunkt des Büros liegt auf der Ausarbeitung radikaler Ideen, die mit einer konstruktiven Praxis und einem Instinkt für die Nachhaltigkeit verbunden sind. Jedes Projekt wird als Prototyp auf der Suche nach sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Optimierung behandelt. Mit anderen Worten, die Arbeitsmethode konzentriert sich auf den «Muskel» der Kreativität und den Moment, kurz bevor aus der Idee ein Projekt entsteht. Häufig haben Architekturschaffende bereits vor Beginn eines Architekturprojekts eine instinktive und direkte Vorstellung, die in den ersten Skizzen festgehalten wird. Die Skizze ist aufgrund ihrer Abstraktion sehr präzise, denn sie ist ein Prinzip, eine Strategie, eine Sprache, um Elemente zu einem effizienten, kohärenten Ganzen, samt Konflikten, zusammenzufügen. Deshalb entsteht mein Arbeitsprozess aus der «denken­den Hand», um die Präzision der Arbeit zu erhöhen. Die Themen meiner Praxis bewegen sich zwischen Gesellschaft, Raum, Verbindungen und Werkstoffe, um zum Beispiel die Energie zu optimieren, die beim Bau, Umbau, Rückbau und bei der Nutzung entsteht.

Und wie zeigen sich diese Aspekte konkret in einem von Dir ausgewählten gebauten Projekt?

Das Licht zeichnet den Schnitt des Atelierhaus. Es verfügt über Dachfenster, die den zentralen Raum mit Nordlicht füllen und so optimale Lichtverhältnisse für die Arbeit während des ganzen Tages bieten. Weiterhin stellen die Räume die Beziehung zwischen Arbeit und Leben in Frage, indem sie die klaren Trennungen zwischen den beiden Bereichen aufheben. Der hängende Balkon und die Trennwand definieren private, intime Nischen. Gleichzeitig ist eine direkte Zufahrt für Autos in den Raum durch ein grosses Falttor möglich. Die Grösse der Öffnungen sowie der Raum des Vordachs im Erdgeschoss verleihen dem Raum einen fast öffentlichen Charakter. Inmitten einer Einfamilienhaussiedlung aus den 1990er Jahren, zielt das Atelierhaus darauf ab, neue Beziehungen zu fördern. Regionales Handwerk, regenerative Materialien, Low-Tech-Lösungen und minimale Aushubarbeiten wurden eingesetzt, um einen neuen, zeitgemässen architektonischen Ausdruck in den Kontext zu integrieren.

Atelier House with Northern Light, Romont

Gaëtan Iannone, Zürich/Fribourg

www.gaetaniannone.ch

Standort: Ancien Stand 21, 1680 Romont
Bauherrschaft: Privat
Architektur: STUDIO IANNONE, Zürich/Fribourg
Chronologie: Planung 2020–21, Ausführung 2022–23

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