6 – 2013

Stadt auf Augenhöhe

Dieses Heft ist dem Sockel gewidmet. Mit ihm verbindet sich die Frage nach dem Fundament des Bauens wie auch nach dem fundamentalen Verständnis, wo Architektur aufhört – oder beginnt: an der Fassadenkante, am Trottoirrand oder im Öffentlichen der Stadt? Unser Standpunkt fusst im städtischen Kontext; dort findet das Kräftemessen zwischen Öffentlich und Privat seine Bühne und hält seine grösste gestalterische Herausforderung bereit. Erst die Schwelle schafft die Möglichkeiten der Adressbildung, Aneignung, Identifikation und Kommunikation. So widmen wir dieses Heft nicht den technischkonstruktiven, sondern den entwerferisch-räumlichen Fragestellungen einer Architektur, die dem Gebrauch verpflichtet ist und die mit dem Benutzer rechnet. Wir kritisieren den Narzissmus der lauten Objekte und stellen die Sensibilität der kleinen Geste und gut gestalteten Übergänge auf das Podest.

Die 2012 zum Wohnen umgebauten Häuser an der Basler Reichensteinerstrasse 14 von Kräuchi Architekten mit dem Landschaftsarchitekten Pascal Gysin bestechen mit gestuften Übergängen: Treppen, Terrassen und Türnischen sowie die Markierungen durch die Bepflanzung erleichtern die Aneignung durch die Bewohner.

Sockel als Relief und Schwelle

Entwurfspotenziale des Sockels aus Konstruktion und Nutzung

Ingemar Vollenweider

Am Sockel als räumlicher und bautechnischer Problemzone haftet gemeinhin der Geruch vom Schwarzbrot der Architektur. Weder in der konstruktiven Ehrlichkeit noch im semantischen Ausdruck der Kräfte, sondern in der Thematisierung des Gebrauchs liegt ein aktualisierbares Potenzial für den Entwurf: Ein Plädoyer für mehr architektonischen Realismus.

Das Bild des Lausanner Fotografen Nicolas Savary entstand in einer Serie von Bildern im Juni 2003, als in Evian, am französischen Südufer des Lac Léman der G8-Gipfel stattfand. In der Schweiz und besonders in Genf herrschte im Vorfeld des Gipfels eine grosse Angst vor Zehntausenden von demonstriernden Globaliserungsgegnern. Die Ladenbsitzer im Stadtzentrum wappneten sich gegen vermutete Sachschäden mit der kompletten Verbarrikadierung der Erdgeschosse.

Taktile Denkanstösse

Leibliche Raumerfahrung bei Walter Benjamin und Aldo van Eyck

Tim Kammasch

Für die fussläufige Wahrnehmung der Architektur der Grossstadt steht der Charakter des Taktilen viel mehr im Vordergrund als derjenige des Visuellen. Erlebt wird die Stadt körperlich, durch Schwellen und Zwischenräume. Von ihnen geht nach Walter Benjamin eine aufklärerische Wirkung aus. Eine Entsprechung findet dieses Denken bei Aldo van Eyck, der in seinen Bauten den Körper über Ambivalenz und das Taktile lernen lässt.

Zwei der drei baumartig auskragenden Wohnhäuser der Siedlung Rundeskogen. Das Basketballfeld reicht bis fast an die Haustüren.

Zwischen den Wurzeln des Baums

Wohnsiedlung Rundeskogen in Sandnes (N) von Helen & Hard und dRMM

Martin Braathen

In Sandnes, einer kleinen Hafenstadt nahe der norwegischen Ölbohrkapitale Stavanger, gedeiht eine Siedlung in Form grosser Bäume, deren «Wurzelwerk» einen vielgestaltigen, teilweise überdeckten Aussenraum für die Bewohner bietet.

Originaltext Norwegisch

Eine Moschee (nicht auf dem Bild), ein Kindergarten sowie eine Schule mit Sportanlage bilden zusammen mit dem Wohnblock Staalmanplein Amsterdam ein neues Ensemble im Nachkriegsquartier.

Gesten des Ausgleichs

Wohnblock Staalmanplein Amsterdam von Wingender Hovenier Architekten

Daniel Rosbottom

Der Bau des niederländischen Büros Wingender Hovenier Architekten ruht auf einem Sockel, der vieles kann: Er verankert das Haus, verknüpft Wege zwischen sozialen Funktionen eines städtischen Ensembles, erschliesst die hofseitige Terrasse und die Wohnungen sowie eine Sporthalle in seinem Bauch.

Originaltext Englisch

Die Treppe mit ihren 42 Stufen überwindet die sieben Meter Höhendifferenz zwischen dem Strassenniveau und der oberen Sockelebene vom Campus Europaallee in Zürich von Max Dudler.

Rhetorik als Stilmittel

Campus Europaallee in Zürich von Max Dudler

Frank Zierau

Öffentlicher Raum ist in die Topografie und das Strassen- und Wegnetz der Stadt eingebunden. Bei der sieben Meter über dem Strassenniveau gelegenen Ebene der Pädagogischen Hochschule ist das nicht der Fall.

Wohnen im «nicht anrechenbaren Untergeschoss» auf dem Ce-Ce-Areal in Zürich Affoltern, Cerv und Wachtl Architekten, 2004.

Wie Leben im Haus Einkehr hält

Sockel in der Stadtentwicklung

Lars Kundert

Baurecht und Nutzungsart beeinflussen die Qualität der Sockelzone massgeblich. Bezeichnende Beispiele sind im Kanton Zürich mit dem «geschenkten» Untergeschoss zu finden.

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Nachrichten

Neue Heftgrafik von Elektrosmog | Katrin Zbinden, neue Geschäftsführerin der Werk AG | Denise Scott Brown fordert Gleichberechtigung

Debatte

Die Stadt grösser denken: Plädoyer für eine konzeptionelle Entwicklung des Metropolitanraums

Wettbewerb

Dichte Packung: Zum Wettbewerb Neubau Primarschule und Sporthalle Erlenmatt Basel

Recht

Neue Verjährungsregeln: Änderungen im Kauf- und Werkvertragsrecht

Nachruf

Rolf Hesterberg, 1927 – 2013, Architekt BSA / Planer FSU, Atelier 5

Energiezentrale Forsthaus Bern: Die technischen Einbauten, Stege, Treppen, Geländer und Türen sind alle in derselben Farbe gestrichen. RAL 7035 Lichtgrau vereint in sich die «Naturfarben» der unzähligen technischen Apparaturen.

Ohne Bunt kein Grau

Über die RAL-Farbe 7035 Lichtgrau

Christoph Elsener

Energiezentrale Forsthaus Bern: die technischen Einbauten, Stege, Treppen, Geländer und Türen sind alle in derselben Farbe gestrichen. RAL 7035 Lichtgrau vereint in sich die «Naturfarben» der unzähligen technischen Apparaturen.

Maschine im Wald: Im «Promenadendeck» der Energiezentrale in Bern wird die Verwandlung von Kehricht in Energie für die Besucher zu einem linear nachvollziehbaren Prozess.

Der Weg des Kehrichts

Energiezentrale Forsthaus Bern

Kornel Ringli

Graber Pulver Architekten komponierten das über 300 Meter lange und mit dem Kamin über 70 Meter hohe Gebäude zu einem monumentalen Zeichen: Das Bild eines grossen Frachtschiffs leitete sie.

Die offene Stadthalle mit ihrem Doppelgiebel am Goudenleeuwplein, rechts hinten der Glockenturm Belfort, eines der Wahrzeichen Gents.

Städtebauliche Korrektur

Stadthalle in Gent von Robbrecht en Daem und Marie-José Van Hee

Christoph Grafe

Die neue Stadthalle in Gent ist eigentlich kein Gebäude, sondern eine städtebauliche Korrektur.

Ecole Steiner in Crissier von Localarchitecture, Lausanne: Ansicht der Südfassade.

werk-material 02.02 / 616

Strukturierende Fakten

Gabriela Güntert

Erweiterungsbau Collège de Delémont in Delémont von GXM Architekten, Zürich

Erweiterungsbau Collège de Delémont von GXM Architekten, Zürich: Ansicht des Erweiterungsbaus von Südwesten, im Hintergrund der Altbau aus den 1950er Jahren.

werk-material 02.02. / 617

Gemeinsam bauen

Marc Frochaux

Rudolf Steiner Schule in Bois-Genoud in Crissier von Localarchitecture, Lausanne

Originaltext Französisch

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