Wer erinnert sich an den Besuch auf einem unbeheizten Dachboden? An das leichte Kribbeln im Bauch, das von der Kühle, der Enge, dem spärlichen Licht und dem Geruch von Staub herrührte? Vielleicht ist gerade dieser Dachboden inzwischen ausgebaut, das neue Isolationsmaterial hinter Gipsplatten versteckt, bis auf ein paar sichtbare Holzbinder erscheint die Atmosphäre heute nüchtern. Und doch bleiben die meisten solcher Räume genug Dach, um sich darunter behütet zu fühlen. Vielleicht ist es dieser zunehmende Mangel an elementaren Erfahrungen, der dazu geführt hat, dass heimelige Räume unter der Schräge als Entwurfstopos so populär sind wie selten zuvor. In dieser Ausgabe befassen wir uns mit Dachräumen zwischen Haus und Himmel. Sie fanden wir in Cambridge in einem College-Saal von Feilden Fowles oder im Überdach von Atelier Bermuda bei Genf. Ersterer steht in einer langen Tradition repräsentativer Säle und damit archaischer Urbilder von verschworenen Gemeinschaften im zeltartigen Bau. Letzterer ist der materiellpragmatische Wetterschutz für eine Künstlerkolonie und ihre Community, ein Schutzraum, eine Scheune. Einem weiteren Weg folgen die Dächer von Giraudi Radczuweit in Ascona und von Giuseppe Pizzigoni rund um Bergamo: Sie sind alle aus der Geometrie entstanden und weniger aus der Tradition eines Stabwerks (auch wenn sich in Ascona grosse Fachwerkbinder hinter Textil verstecken). Manche der im Heft gezeigten Dächer sind leistungsfähig in dem Sinn, dass sich mit optimierten Materialien ein grosser, (zumeist) gemeinschaftlicher Raum überspannen lässt, oder leistungsstark, indem Energie aus der Dachhaut gewonnen wird. Allesamt nutzen sie das formale Potenzial des Raumabschlusses zum Himmel hin und machen es erlebbar, immer mit der Expertise von Ingenieurinnen und Ingenieuren. Atmosphäre wird also automatisch mitgeliefert – in diesem Sinne plädieren wir für mehr Tiefe in der Konstruktion.
Das junge Londoner Büro Feilden Fowles hat mit seinem charakteristischen Neubau für den Speisesaal einem College in Cambridge ein neues, heiteres Image verliehen. Sie schlagen dank der feierlichen Wirkung der Dachuntersicht ein neues Kapitel dieser Gemeinschaftsräume auf, die für die englischen Colleges so typisch sind. Originaltext Englisch
Egal ob Fabrik oder Schule, Wohnhaus oder Viehstall: Giuseppe Pizzigoni (1901–1967) überwölbte sämtliche Nutzungen am liebsten mit Hyparschalen, um darunter grosszügige Räume von ausserordentlicher Schönheit zu schaffen. Der Meister der gekrümmten Betonschalen hat in der Nachkriegszeit in und um Bergamo ein reiches Werk hinterlassen, auf das sich ein genauer Blick lohnt. Originaltext Italienisch
Das Tessiner Büro Giraudi Radczuweit hat für das Collegio Papio in Ascona eine neue Mensa gebaut. Versteckt hinter alten Klostermauern öffnet sich ein stützenfreier Gemeinschaftsraum unter einem eindrucksvollen Faltdach. Dreieckige Oblichter verwandeln die Atmosphäre des Saals im Takt der Wolken – von aussen kaum sichtbar. Originalext Italienisch
Entwirft man schräge Dachflächen, liegt deren Bestückung mit Solarpaneelen auf der Hand. Auch finanziell lohnen sich Solardächer, denn der Energiegewinn verspricht langfristigen Profit. Welche technischen Fragen sich beim Entwurf solcher Kraftwerke auf dem Dachstellen, klären unsere Autoren in diesem Beitrag.
Kurz hinter der Schweizer Landesgrenze, im Norden von Genf, liegt das Ensemble einer Künstlergemeinschaft unter einem weit ausladenden, eindrucksvollen Dachkörper. Neben drei Wohnateliers, geteilten Werkstätten und Arbeitsplätzen ist hier auch eine Unterkunft für Artists-in-Residence entstanden. Realisiert haben die Initiantinnen der Ateliers Bermuda ihre neue Wirkungsstätte im Selbstbau.
Dem jungen Zürcher Kollektiv 8000.agency liegt der bauliche Bestand am Herzen. Im Um- und Weiterbauen erkennen sie die Aufgabe der Stunde. Für sie ist es an der Zeit, auch dem Provisorischen Platz zu geben.
Morger Partner haben den Projektwettbewerb zur Liechtensteinischen Landesbibliothek gewonnen. Die Bücher ziehen in die alte Post aus den 1970er Jahren um, die dafür umgebaut wird. Re-use und re-adapt waren als Vorgabe bereits in der Ausschreibung gefordert.
Der Ersatzneubau in Zürich ist jüngst stark in die Kritik geraten, so Daniel Kurz. Er hat die Schau im ZAZ in Zürich zum Thema «Verdichtung oder Verdrängung?» besucht. In Schlieren hat man diese Veränderungen der letzten Dekaden fotografisch festgehalten, was nun in einer Ausstellung im dortigen Ortsmuseum zu sehen ist. Die Schau über Mode, Design und Grafik der 1980er Jahre lohnt eine Reise nach Paris.
Christian Sumi hat Bruno Reichlins Werk über Le Corbusier gelesen. Es ist der erste Band einer Trilogie, die Schlüsseltexte von Reichlins langjährigen Forschungen umfasst. Daneben empfiehlt die Redaktion ein Buch zum Innenputz.
Christoph Ramser 1974–2022
Das Garderobengebäude auf dem Hönggerberg in Zürich ist ihr Erstling. Material und Farben lassen die «Hütte am Waldrand» selbstverständlich wirken. Artikel lesen
Der Artikel zum neuen Stadion des Zürcher Schlittschuhclubs von Caruso St John schliesst so: «... weg vom Mief aus Bratwurst, Bier und Schweiss, hin zu einem edlen, erfolgreichen und rentablen Premiumprodukt der Unterhaltungsindustrie.»
In den nächsten Jahren entsteht am alten Hafen von Gent ein neues Viertel. Die ersten Neubauten sind errichtet, darunter eine Schule. Dabei hat das Team des Architekten Xaveer De Geyter die Freifläche kurzerhand gestapelt. Das Projekt taugt zum Vorbild.