Eine ganze Wohnsiedlung neu konzipieren zu können, ist eine Herausforderung von städtebaulicher Dimension, die im Vergleich zu kleinteiligerem Immobilienbesitz einmalige Potenziale bietet. Dieser Planungsspielraum wird in Zürich jedoch noch zu wenig genutzt, denn bislang macht die Planung fast immer an der Arealgrenze Halt. Die Strasse, und damit die Stadt, liegt in dieser Perspektive am Rand des Perimeters – aus städtebaulicher Sicht müsste es gerade umgekehrt sein! Doch für einen Blick, der Verdichtung auch als Verstädterung akzeptieren würde, fehlen die bau- und planungsrechtlichen Voraussetzungen. Solange jede neue Siedlung als Insel in einem unüberschaubaren Archipel geplant wird, kann sich an der Vernachlässigung des grösseren Ganzen nichts ändern. Wir plädieren dafür, den planerischen Horizont künftig massiv zu erweitern. In den kommenden Jahren sollte es darum gehen, nicht nur starke Siedlungen, sondern starke Stadtquartiere entstehen zu lassen. Da bleibt noch viel zu tun. Und wir erinnern: Ein grosser Teil der alten, inzwischen preiswerten Wohnungsbestände wird auch längerfristig dringend benötigt. Es ist zu wünschen, dass sanfte Instandsetzungen ohne Komfortverbesserung wieder häufiger ernsthaft geprüft werden – sonst verliert die Stadt allmählich ihre Diversität und damit ihre Seele.
Viel Architektur, wenig Städtebau: Daniel Kurz blickt zurück auf zwei Jahrzehnte, in denen Zürich angefangen hat, sich neu zu bauen und befragt wichtige Exponenten zu diesem Zürcher Thema. Seine Zwischenbilanz zeigt auf, dass seit dem Wendejahr 1998 mit der Siedlung Werdwies viele weitere gute Siedlungen entstanden sind. Dabei wurde jedoch die Chance weitgehend verpasst, die Stadt neu zu denken und mehr Urbanität zu schaffen.
Wohnersatzbau ist ein Zürcher Phänomen, wie die Statistik zeigt. In der grössten Schweizer Stadt entstanden von 2012 bis 2015 mehr neue Wohnungen nach Abbruch als in den neun nächstkleineren Städten zusammen. Die Ersatzbauten führen zu höherer Dichte, aber auch zu grösserem Flächenbedarf pro Kopf. Und sie verstärken den sozialen Wandel: Der Anteil der Familien ist dort zweimal so hoch wie im Altbestand, und jener der Hochgebildeten stieg seit 2000 doppelt so stark wie in der übrigen Stadt.
Siedlungen und Arealüberbauungen privatwirtschaftlicher und gemeinnütziger Träger prägen die Karte des Ersatzneubaus in Zürich. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich die grosse Zahl kleiner Eingriffe in den Wohnquartieren. Im Inselurbanismus des Ersatzneubaus definiert die Architektur den Städtebau, nicht umgekehrt. Dass es zur hochskalierten Zeilenbauweise intelligente Alternativen gibt, zeigen fünf Beispiele im Kontext von Stadt und Gartenstadt.
Alois Diethelm kritisiert anhand der Erneuerung eines Geschäftshauses am Zürcher Bleicherweg durch Meier Hug einen irritierenden Drang von Architekten, Stadtreparatur zu betreiben. Beim Umbau von Altbauten werde mit Neubaumethoden entworfen und an den Ort gedacht, aber nicht das Haus befragt.
Rolf Mühlethaler gewinnt mit Christoph Schläppi den Wettbewerb für die Entwicklung des Areals Industriestrasse in Luzern. Sein Erfolgsrezept, das kurz zuvor auch bei der Arealentwicklung «Weyermannshaus West» in Bern stach, heisst: «Die sanierte Stadt».
Die Schweiz liebt ihren Beton, und die Welt beneidet uns um die Kunstfertigkeit, mit der er hierzulande verbaut wird. Mit ihrem Buch Made of Beton legen die ETH-Dozenten Daniel Mettler und Daniel Studer ein neues Standardwerk zum Betonkult vor. Dazu der Hinweis auf den letzten Paukenschlag vor der Emeritierung des ETH-Stadtplanungsprofessors Kees Christiaanse: Noise Landscape widmet sich dem Thema der Stadtentwicklung rund um Flughäfen.
Als eine Schule der analytischen Wahrnehmung beschreibt Urs Primas in seiner überaus lesenswerten Kritik die Ausstellung über André Corboz in Mendrisio.
Mit dem neuen Musikhaus haben Giuliani Hönger auf dem Berner vonRoll-Areal einen weiteren Umbau realisiert. Ihre Eingriffe erzeugen mit dem Bestand einen Zusammenklang der feinen Differenzen.
Mit der Wiederherstellung des historischen Werkhofs in der Freiburger Unterstadt erzählen Bakker Blanc Architekten eine Geschichte von Werften und der Schifffahrt, die weit hergeholt scheint, aber tatsächlich viel mit der Geschichte des Baus zu tun hat. Entstanden ist ein Bau von hoher atmosphärischer Intensität.