Neu in Basel: Städtebau

Es rumpelt und scheppert, der ganze Saal im Kultur- und Begegnungszentrum Union schreckt auf. Draussen werden die Tramgleise aus der Klybeckstrasse gerissen – Basel rüstet sich für das Wachstum, das seit 2005 an Fahrt gewinnt. werk, bauen + wohnen lud zusammen mit BSA Basel und dem S AM anlässlich der Heftvernissage des aktuellen Regionenhefts Basel zu einer Podiumsdiskussion unter dem Thema «Basel – Wachstum in engen Grenzen» und rund 300 Personen folgten dem Ruf. Die Erwartungen waren gross, sollte doch Beat Aeberhard, seit April 2015 Leiter Städtebau und Architektur im Bau- und Verkehrsdepartement, erstmals umfassend über seine Absichten informieren.
Bekannt war bis anhin, dass Basel mit dem Hafengebiet und dem Dreispitz zwei erstklassige Verdichtungsräume aufweist, um die sie andere Städte beneiden. Hinzu kommt nun das Areal Klybeck Plus im Kleinbasel nördlich der Dreirosenbrücke. Der Kanton Basel-Stadt, BASF und Novartis haben just Ende August die ersten Schritte zur Entwicklung unternommen. Wie so etwas ablaufen könnte, erklärte Beat Aeberhard in seinem Vortrag: Seine Strategie baut auf dem Dialog und bietet die offene Hand. Das klingt für viele Ungeduldige wie lauwarmes Wischiwaschi, ist aber ausdrücklich eine Lehre aus verlorenen Volksabstimmungen von Ende September 2014, als die Vorlagen zur Stadtrandentwicklung Süd und Ost knapp gescheitert waren.
Aeberhard wies ausserdem deutlich auf die von Architektinnen und Architekten gerne unterschätzte Bedeutung der Infrastruktur hin. In Zürich rollt die S-Bahn seit einem Vierteljahrhundert mittlerweile durch zwei unterirdische Bahnhöfe und vernetzt die Kernstadt mit ihrem Umland, während in Basel die Planungen zum so genannten S-Bahn-Herzstück erst begonnen haben.
Infrastruktur, Arealentwicklungen, Städtebau: Die Architekturstadt Basel steht vor neuen Herausforderungen. Dies machte kürzlich auch Jacques Herzog in einem Interview in der Schweiz am Sonntag deutlich (nicht online verfügbar, Kurz-Zusammenfassung hier).
In der anschliessenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von werk-Chefredaktor Daniel Kurz und S AM-Direktor Andreas Ruby bekräftigte Pierre de Meuron, dass Basel nur noch mit seinem Umland zu denken sei, dass also der Ausbau der Infrastruktur Stadt und Agglomeration näher zusammenbringt. Trotzdem blieb die Diskussion – metaphorisch gesprochen – im Erdgeschosslädeli an der Clarastrasse hängen, also in den engen Grenzen der Stadt. Eine Skepsis gegenüber den bevorstehenden grossen Transformationen schien mit den Händen zu greifen: Immer wieder wurde gewünscht, dass man Teile der Stadt doch einfach mal «in Ruhe lassen» solle. Dies betonte überraschenderweise auch die Jüngste auf dem Podium, die Architektin Charlotte von Moos, die zufrieden ist mit allem, wie es sich heute darbietet und sich so wenig Veränderung wünscht wie möglich. Die Architektin Anna Jessen hingegen erlaubte sich, nach ein paar «Sternen zu greifen» und konnte sich etwa eine Verlegung des Bahnhofs SBB näher an das Zentrum vorstellen (auch hier: Infrastruktur!).
Sehr wahrscheinlich entscheiden aber nicht die Architektinnen und Architekten über solche Dinge, sondern der Markt und die grossen Player in Basel, die ja männiglich bekannt sind. Dass gegen den Bebauungsplan von Roche keine einzige Rekursstimme einging, erstaunte die ganze Schweiz und relativiert etwas die von Jacques Herzog allenthalben gebetsmühlenartig vorgetragene Klage von «zuviel» Demokratie in der Schweiz. Aber vielleicht meint er mit den «endlosen Einsprachen» ja auch die Projekte der öffentlichen Hand in Basel, die im Unterschied zu den Pharmariesen für ihre Projekte viel mehr Zeit einrechnen müssen.
Trotz einiger in die Runde geworfener Bälle seitens der Moderatoren wagten sich die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer nicht weit auf die Äste hinaus. Der Kantonsbaumeister wurde geschont – aber es war nicht nur zwischen den Zeilen zu vernehmen, dass sein Konzept «Dialog als Methode» für die Basler Architektenschaft Neuland ist. Der Städtebau muss am Rheinknie erst noch Fuss fassen. Ein Anfang ist gemacht.

— Caspar Schärer

Video: Basel – Wachstum in engen Grenzen
© werk, bauen + wohnen
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