Stahl hält

Es ist selten, dass in der (Schweizer) Architektur eine Veranstaltung durchgeführt wird, die über den Moment des Bratwurst-Essens und mit-dem-Bier-Anstossens anhält; gemeinhin gilt nur gebaute Architektur als etwas für die längere Sicht. Nun haben wir aber die Vermutung – bei aller Bescheidenheit! –, dass man über die hier angepriesene Ausstellung noch länger reden wird. Und wir sind nicht ganz unbeteiligt.
Das, was es ab Freitagabend in der SBB-Halle D Süd in Zürich zu besichtigen gibt und woran wir mit dem aktuellen Heft «Wohnen in Stahl» mitgewerkt haben, hat seinen Ursprung nicht zuletzt in einer Ausgabe von werk, bauen + wohnen aus dem Jahr 1993. Damals kündigten sich in der Fertigung für den Bau grössere Veränderungen an, und die Redaktion nahm diese zum Anlass, das Entwerfen schlechthin auf den Prüfstand zu stellen. Dabei unterstützt wurde sie von den jungen Architekten Marcel Meili und Markus Peter, die eigens einen Entwurf für Ein Wohnhaus aus der Werkstatt angefertigt hatten. Das Resultat hat eine ganze Generation von Architekturschaffenden beeinflusst.
Inspiriert wurde auch die aktuelle Ausstellung Case Study Steel House. Kunst des Fügens. Ihr ging ein Wettbewerb des Institut Konstruktives Entwerfen an der ZHAW voraus, den dieses zusammen mit dem Stahlbau Zentrum Schweiz SZS durchgeführt hat. Die Sache ist allerdings keine retro-getrimmte Wiederholung von damals. Zum einen haben die Arbeiten von sechs Architekturbüros gezeigt, dass konstruktive Forschung nichts an Aktualität verloren hat, auch für jüngere Architekturschaffende. Eine vertiefte und freie Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Bautechnik erweist sich für die Architektur nach wie vor als äusserst ergiebig. Zum anderen hat das Thema einer hybriden Bauweise mit Stahl einen geradezu verrückten Forschungseifer entfacht, der für die Ausstellung seinen Ausdruck in spektakulären 1:1-Mock-ups gefunden hat.
Weil die höchst aufwändigen Modelle leider nicht als Beilage in unser Heft oder in diese Kolumne passen, kommen diejenigen Architekturinteressierten, denen Bauen als unmittelbare Raum-Erfahrung etwas bedeutet, nicht umhin, die Ausstellung selbst zu besuchen. Sie dauert leider nur zwei Wochen, und man würde sich wünschen, dass die Exponate auch andernorts gezeigt werden können. Wenn Stahl – so die für heute aktualisierte These in unserem Heft – eine spezifische, von Ort und Aufgabe abgängige Form findet, kann er mit anderen Baumaterialien mehr als mithalten. Der Gewinn ist ganz unbenommen Architektur.

— Tibor Joanelly

Ausstellungseröffnung und Heftvernissage
15. September 2017, ab 19:00 Uhr
Ausstellung
16. September bis 1. Oktober 2017
in der Halle D Süd, SBB-Werkstätten, Hohlstrasse 400, 8048 Zürich
geöffnet täglich von 12:00 bis 19:00 Uhr

© Tanja Reimer
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