Anziehungskraft und Ausstrahlung

Nachwuchs-Campus des FC Basel von Luca Selva Architekten

Christoph Wieser, Ruedi Walti (Bilder)

Im Pathos des axialen Zugangs, im Tor- und im Tempelmotiv spielen im öffentlichen Fussball-Nachwuchscampus des FC Basel zentrale Motive des Sakralen zusammen.

Rätselhaft in der Erscheinung, übt das Gebäude eine magische Anziehungskraft aus. Die Architektur verleiht dem einfachen Raumprogramm Bedeutung und mehrt damit die Aura des erfolgreichsten Schweizer Fussballclubs.

Die trichterförmige Eingangshalle trennt den inneren Bereich des Nachwuchs-Campus des FC Basel von seinem Vorfeld.

Der Eingang zum Zentralbau des Nachwuchs-Campus des FC Basel ist als Tor ausgebildet, im wörtlichen wie übertragenen Sinn: Einerseits liegen ihm die Massproportionen eines Fussballtores zugrunde, der einzigen wiederkehrenden Referenzgrüsse in der Weite der Brüglinger Ebene, die südlich an den St. Jakob-Park, die Spielstätte der ersten Mannschaft, anschliesst. Andererseits wird der Durchgang als Übergang inszeniert, der in den inneren Bezirk des Campus führt. Er ist öffentlich zugänglich, weist jedoch eine spürbar andere Stimmung auf als draussen vorherrscht. Dabei ist der Trainingsbereich nur minimal durch eine feingliedrige, räumlich artikulierte Betonstruktur aus vorgefertigten und an Ort gegossenen Elementen von der Anlage getrennt, wo der Wille zur Höchstleistung spürbar und die Konzentration und Ernsthaftigkeit erlebbar werden, mit der die U14-bis U21-Junioren trainieren.

Die vom übergeordneten Landschaftsplan geforderte Durchlässigkeit der Ebene ist dank der subtilen Mittel zur Abgrenzung gegeben, wozu auch die farblich zurückgenommenen, kaum sichtbaren Ballfangnetze gehören. Gleichwohl hebt sich die Anlage von der Umgebung ab und erscheint wegen ihrer sorgfältigen Gestaltung als besonderer Ort. Dieser Charakter wird von der Einfriedung in den Modulabmessungen eines Fussballtores ebenso erzeugt wie von der geheimnisvollen Erscheinung des eher niedrig wirkenden Neubaus mit dem portalartigen Eingang. Aussen geschlossen, nur punktuell durch eine Vielzahl ballgrosser Öffnungen rhythmisiert, die alle Platzierungen der Vereinsgeschichte abbilden, erschliesst sich die Funktion des Gebäudes in Weissbeton erst von innen. Denn nur wenige dieser Öffnungen sind Fenster, die meisten mit Spiegeln belegt, was keine Rückschlüsse auf die dahinterliegenden Räume zulässt.

Schon von Weitem entwickelt das leicht asymmetrisch platzierte Eingangsportal in Verbindung mit der trichterförmig eingezogenen Fassade einen regelrechten Sog. Unterstützt wird die Anziehungskraft von der Situierung am Ende einer langen Erschliessungsachse, die links und rechts von Fussballplätzen gesäumt, vom Kioskgebäude bis zum Campus führt und im Tempelmotiv ihren Fokus findet. Der Neubau mit seinen halbkugelförmigen Oberlichtern, die wie grosse Regentropfen in der Sonne glitzern, erscheint als Verlängerung eines niedrigen, baumbestandenen Erdhügels, der sich in die Ebene vorschiebt. Dadurch entsteht auf einfache, aber wirkungsvolle Weise eine Verbindung mit der topografisch kaum modellierten Umgebung. Der Nachwuchs-Campus befindet sich in der Schwemmebene der Birs, deren fruchtbare Flächen ursprünglich zum weitläufigen Hofgut von Christoph Merian gehörten und heute als Naherholungsgebiet mit verschiedenen Sportanlagen, Botanischem Garten und Landschaftspark genutzt werden.

Betonlamellen überspannen Kantine und Eingangshalle

Wahrnehmungsapparat

In der mehrere Meter tiefen Eingangshalle angekommen, verlangsamt man unweigerlich den Schritt und verharrt einen Moment an dem Punkt, wo sich der Raum zum Durchgang weitet. Hier fällt der Blick auf das Innere des Campus, und die Landschaft dahinter erscheint wie ein gerahmtes, zweidimensionales Bild. Dessen Anziehungspunkt bestimmt der Fahnenmast mit der Flagge des Basler Fussballclubs, die sich über dem Horizont sanft im Wind bewegt. Täuscht die Empfindung von Erhabenheit in diesem Augenblick? Wird nicht das Pathos der räumlichen Inszenierung durch die ged.mpften Schritte auf dem blauen Sportbelag verstärkt, der den Asphalt des Zugangsweges abgelöst hat und den Raum wie ein Teppich auskleidet? Wie die Mattscheibe einer Kamera, auf der sich alle Eindrücke zum Bild verdichten, erscheint die engste Stelle des Durchgangs. Geht man weiter, ziehen die leicht ansteigende, ebenfalls trichterförmig ausgebildete Lobby mit ihren angelagerte Nutzungen und die Trainingsplätze dahinter die Aufmerksamkeit auf sich.

Die Lobby ist mit schräg gestellten Betonlamellen gedeckt, deren Stellung und wannenartige Ausbildung wohl den Blick in den Himmel öffnen, das Eindringen von Regenwasser aber verhindern. Ebenerdig sind um diesen zentralen Aussenraum eine öffentliche Cafeteria, die Kantine samt Küche, ein Mehrzweckraum sowie Sitzungs- und Video-Vorführräume zur Leistungsdiagnostik angeordnet; im Obergeschoss die Garderoben der U14- bis U21-Spieler, Büros, Therapie- und Fitnessräume, erschlossen über eine seitlich angeordnete Freitreppe mit rotem Belag. Sichtbeton und sägerohe Eichenriemenböden verleihen den Innenräumen eine angenehm warme Atmosphäre. Einfach und stimmig detailliert sind auch die Garderoben, deren Türen in goldenen Lettern auf grafisch abstrahierte Weise die Alterskategorie angeben. Die wenigen kreisrunden Öffnungen geben den Blick Richtung St. Jakob-Park frei, das erklärte Sehnsuchtsziel aller Junioren.

Die Lobby ist nicht nur Transitionsraum und Wahrnehmungsapparat, sondern auch das räumliche Zentrum des Geb.udes: ein überdeckter, dreiseitig gefasster, luftig heller und platzartiger Raum. Indem hier die angrenzenden R.ume grossfl.chig verglast sind, ergeben sich spannende Quer- und Diagonalbezüge ebenso wie unerwartete Spiegelungen der Trainingsanlagen bis tief in das Gebäudeinnere hinein. Die Reflexionen und die in den Innenraum verl.ngerten Lamellen lassen ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht zwischen innen und aussen entstehen, welches die Gebäudeteile links und rechts vom Durchgang wieder zu einem Ganzen verbindet und die Lobby, obwohl dem Aussenraum zugeh.rig, zum Dreh- und Angelpunkt des Baukörpers macht. Deren zentrale Rolle wiederspiegelt sich auch in der Wegführung. Über die Freitreppe gelangt man in das Obergeschoss und von dort über den Korridor mit Blickbezug zu Lobby und Kantine in den Physiotherapieraum. Dieser wendet sich seitlich über ein grosses Fenster zur Cafeteria erneut dem zentralen Aussenraum zu. Obwohl das Gebäude rundherum nahezu geschlossen ist und alles auf die Lobby fokussiert, entsteht gerade in Kantine und Cafeteria nicht das Gefühl starker Introvertiertheit, sondern vielmehr von Konzentration und – überraschenderweise – von Ruhe. Auslöser dafür sind zweifellos die streifenartigen, nach Norden gerichteten und auf den Rhythmus der Lamellen abgestimmten Oberlichter, die den grossen Raum mit natürlichem, aber blendungsfreiem Licht erhellen.

Die grösste Leistung von Luca Selva Architekten besteht darin, dass sie es hervorragend verstanden haben, aus diesem einfachen Raumprogramm ein Stück Architektur zu entwickeln, das einen Ort mit Anziehungskraft und Ausstrahlung schafft. Einen Ort und Treffpunkt, der die Bedeutung des Gebäudes für den Club und die Öffentlichkeit widerspiegelt. Das Signal ist klar: Die umfassende Ausbildung der Junioren ist Teil einer Gesamtstrategie, die die Aura des seit Jahren erfolgreichsten Schweizer Fussballclubs weiter mehren soll.

Christoph Wieser, geboren 1967, lebt und arbeitet in Zürich als Architekturtheoretiker, Publizist, Forscher und Dozent an schweizerischen Fachhochschulen.

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