Es ist nicht unserer Zeit vorbehalten, den Bestand für die Architektur zu entdecken. Schon in den 1970er Jahren machte der damalige Paradigmenwechsel im Architekturdiskurs das Weiterbauen an der Stadt zu einem bestimmenden Thema. Anders als damals sind heute Klimawandel und damit verbunden die Ressourcenverschwendung und der CO₂-Verbrauch des Neubaus sowie die Innenverdichtung wichtige gesellschaftliche Treiber für die Auseinandersetzung mit bestehenden Strukturen und deren Neuinterpretation. Stadtreparatur und Weiterbauen werden so zu einem grundsätzlichen Auftrag, um lebenswerte Räume zu schaffen.
Weiterbauen schliesst auch die Sorge um das Bestehende mit ein, seine materiellen und ideellen Werte. Mehr geht es jedoch um den transformativen Anteil, das Anknüpfen und Umgestalten, das nutzbar und erlebbar machen für unsere Zeit und – so das ehrenwerte, doch ungewisse Ziel – auch für die Zukunft. Ob in französischen Kleinstädten, dem Basler Westen oder der belgischen Stadt Charleroi – Schauplätze des Weiterbauens an bestehenden baulichen und sozialen Strukturen sind vielfältig, in sich komplex und deshalb nicht mit standardisierten Rezepten zu bewältigen.
Die Umgestaltung des Messezentrums ist mehr als nur eine bauliche Veränderung – sie ist ein Symbol für den Wandel einer ganzen Region – in Charleroi, einer vom Niedergang des Kohlebergbaus gebeutelten Stadt. Das Projekt von AgwA mit A JDVIV Jan De Vylder Inge Vinck ist ein Plädoyer für das Weiterbauen, weil es CO₂ und Geld einspart. Die Redaktorin Jenny Keller ist nach Wallonien gereist und kam mit einer faszinierenden Geschichte zurück. Sie handelt von mutigen Entscheiden, etwa die Parkplätze in eine alte Messehalle zu verlegen, statt sie neu zu errichten: Weiterbauen auf belgisch.
Schon in den 1970er und 1980er Jahren war das Weiterbauen ein bestimmendes Thema im Architekturdiskurs. Orientierung gab dabei die Auseinandersetzung mit der Stadt und ihrer Geschichte. Manche der architektonischen Antworten von damals überzeugen noch heute, seien es Interventionen im St. Alban-Tal in Basel, die Erweiterung des Hauptbahnhofs in Zürich durch Trix und Robert Haussmann oder, hoch über Bellinzona, die Restaurierung des Castelgrande durch Aurelio Galfetti. Ein Besuch bei Vorbildern des Weiterbauens.
Die Schweizer Gebäudelabels setzen einen weiteren Meilenstein. Sie konzentrieren ihre Kräfte und stärken so ihre Rolle als Wegbereiter für eine klimafreundliche Zukunft in der Gebäudebranche.
Sie kennen keinen Neubau, sondern führen die Architektur zurück zu dem, was sie einst war: als Kunst der Reparatur und des Ausbesserns. Die Architekten mit dieser Auffassung stammen aus Toulouse und nennen sich BAST. Das Kürzel ist Programm: Bureau d’architecture sans titre. Paul Bouets Porträt über die jungen Franzosen ist eine Lektion in der Reduktion aufs Nötigste und einer kontrastreichen Ästhetik. Als Manifest entpuppt sich dabei ihr eigenes Büro: eine umgebaute Garage. Originaltext Französisch
Der Aufschrei war gross: Das alte Felix Platter-Spital, eine Basler Ikone der Nachkriegsarchitektur, sollte abgerissen werden. Nach breitem Widerstand konnte die Genossenschaft wohnen & mehr in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege ein Konzept für einen Umbau erarbeiten. Müller Sigrist und Rapp Architekten haben nun 134 Wohnungen und viele Gemeinschaftsnutzungen ins alte Spital eingebaut. Eine Rue intérieure führt bis aufs Dach, wo Chefredaktor Roland Züger die Aussicht genoss und das Haus samt Umgebung in Augenschein nahm. Artikel lesen
Hochhausplanungen unterliegen einer besonderen Sorgfaltspflicht. Zu deren Kontrolle gebe es griffige Instrumente, meint Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister von Basel-Stadt, und erklärt, warum die Clusterbildung in Basel sinnvoll ist.
Beim Bahnhof SBB in Basel sollen weitere Hochhäuser in den Himmel wachsen. SBB und Post spannen auf dem Areal Nauentor zusammen. Die siegreiche Arbeitsgemeinschaft von Bruther mit Jan Kinsbergen und Truwant + Rodet nutzt geschickt grosse Teile vom Gerüst des alten rostroten Postverteilzentrums und sattelt ihm neue Geschosse auf. Die Krone bildet ein öffentlicher Dachgarten mit Blick über die Gleise.
Annette Spiro hat die Eröffnung der Doppelausstellung zum Werk von Paolo Mendes da Rocha in Matosinhos besucht und kam begeistert von der Schau mit diesem Text zurück. Daneben weisen wir auf zwei weitere Ausstellungen hin: Zu Recycling und Re-use in Dornbirn und zum Krankhausbau in München.
Denise Scott Brown war eine vielseitige Architektin und wurde in der Vergangenheit zu Unrecht übersehen. Das neue Buch von Frida Grahn rückt das nun gerade. Daniel Walser hat es für uns gelesen. Zudem empfielt die Redaktion zwei weitere Bücher: Ein Buch zum Limmattal von Helene Arnet, Bruno Meier und Urs Tremp sowie Upgrade von Silke Langenberg.
Das junge Genfer Büro Cabinet von Fanny Noël und Diogo Lopes hat einen heiteren Erstling realisiert, die Maison des Jardiniers an der Allée Belle Terre in Thônex. Artikel lesen
Der neue Flughafen von Singapur empfängt seine Besuchenden mit einer Dschungelwelt samt Wasserfall. In der Stadt zeigen jüngere Hochhäuser den lustvollen Einsatz von Grün, das im tropischen Klimaideal gedeiht. Auch von den offenen Erdgeschossen der Türme könnte man sich hierzulande einiges abschauen.
Im ruppigen Neukölln in Berlin haben AFF Architekten am Rand eines alten Friedhofs einen Neubau für eine Stiftung errichtet. Nicht nur der Städtebau und die kräftige Kubatur bringen unseren Autor ins Schwärmen, sondern auch die Experimente mit gebrauchten Ziegeln und einer ressourcensparenden Rippendecke.