Manchmal hilft der Blick in den Rückspiegel und lässt Dinge erkennen, die man vorher nicht so klar vor Augen hatte. 1997 diagnostizierten Franz Dröge und Michael Müller in dieser Zeitschrift, dass das Museum den Städten als Medium zur «Kulturalisierung» diene. Nicht nur als Marketingvehikel, sondern als eigenständiger Zweig der Ökonomie sind die Museen heute Teil der Kulturindustrie. Wie dick dieser Ast mittlerweile gewachsen ist, hat die Corona-Krise offen gelegt. Jenen Artikel illustrierte der damalige Werk-Redaktor Ernst Hubeli durch eine Gegenüberstellung des Centre Beaubourg mit dem Kunsthaus Bregenz. Das Modell der offenen Struktur des Beaubourg wurde hierzulande kaum weiterverfolgt, wegweisend wurde vielmehr die Aura-Maschine in Bregenz. Doch sie gibt über ihre zeichenhafte Bedeutung in der Skyline hinaus dem Stadtraum wenig zurück. Im Gegenteil: Ihr hermetischer Ausdruck ist im Grund das Gegenteil des Urbanen, das Vielfalt und Offenheit atmet. Müssten nicht auch Museen durchlässige Gefässe sein, statt nur Raum und Zeichen? Für wen sind sie in Zukunft da? Das ist nicht nur eine Frage der Vermittlung sondern auch eine Frage der Architektur. Institutionen wie die Tate Modern in London weisen seit 20 Jahren den Weg, und der Anbau des Switch House führte die Geste der Offenheit weiter. In der Schweiz dagegen gleichen die jüngsten Museumsbauten in Zürich, Lausanne oder Basel stummen Behältern. Sie lassen jegliche Einladungsgeste in stadträumlichem Sinn vermissen. Ihre Fassaden sind Repräsentationsapparate, die mit dem städtischen Leben weder in Austausch treten wollen noch können.
Was geschieht, wenn mit der Hilfe von Architektur ein ganzer Stadtteil zum Museum wird? Der Inselstaat Bahrain hat mit namhaften Architekten aus Europa die Altstadt von Muharraq vor dem Zerfall gerettet und als lebendiges Museum ihrer selbst erschlossen. Der Pearling Path weist den Weg im Häusergewirr, selbstbewusste Interventionen von Office, Anne Holtrop, Valerio Olgiati, Christian Kerez und anderen erschliessen die Geschichte der einst vorherrschenden Perlen-Industrie – ohne dass die Altstadt den Bewohnern entrissen würde. Originaltext Englisch
Auf dem Weg nach Venedig fährt man gewöhnlich am industriellen Mestre nur vorbei. Doch im Schatten der Serenissima bot sich nicht zuletzt darum die Gelegenheit, ein Labor der Kunst und Kultur einzurichten. Das Projekt wurde mit grosser Kelle angerichtet: Das M9 ist mit dem Entwurf von Sauerbruch Hutton ein Eckstein der Stadtentwicklungsstrategie, die auch der sozialen Form der Architektur Rechnung trägt. Originaltext Italienisch
Zwischen den Hochhauswäldern von Hongkong findet man bauliche Zeugen und öffentlichen Raum nur selten. Herzog & de Meuron haben mit dem Umbau der alten Polizeikaserne Tai Kwun beidem neues Leben eingehaucht. Das Museum ist eine Oase der Kontemplation wie des sozialen Austauschs inmitten der Grossstadt; die Verbindung von Alt und Neu schafft dazu eine spektakuläre wie dienliche Inszenierung. Sozusagen als Antithese zur Arbeit am Tai Kwun steht in Hongkong auch das maschinenhafte Museum M+ von Herzog & de Meuron vor der Fertigstellung.
In Saarbrücken musste zunächst alles schiefgehen, bevor sich letztlich das Rettende zeigte. Aus einem gescheiterten Projekt am baulichen Erbe der Modernen Galerie entstand unter der beherzten Entwurfs- und Umbauarbeit von Kuehn Malvezzi ein städtischer Ort, welcher der diffusen Setzung der einstigen Pavillonarchitektur eine Strategie zur Anbindung an die Stadt entgegensetzt.
Wo hört der Stadtraum auf, wo fängt die Institution an? Die beiden Kunstmuseen in Luzern und Olten geben verschiedene Antworten auf diese Frage – aber die Direktorinnen sind sich einig, dass sich das Museum zur Stadt hin öffnen muss. Und sie stellen fest, dass in Lausanne diesbezüglich vieles richtig gemacht wurde.
Die Direktorin des Designmuseums MUDAC in Lausanne erläutert den Aussenraum, der als Plateforme 10 ihre Institution mit dem Musée cantonal des Beaux-Arts verbindet. Die Bauten von Aires Mateus und Barozzi Veiga begünstigen den Austausch mit der Öffentlichkeit. Originaltext Deutsch/Französisch
Mathias Müller und Daniel Niggli von EM2N antworten auf Philipp Eschs Debattenbeitrag in wbw 6 – 2020: Architektur kann die drängenden Probleme der heutigen Stadt nur meistern, wenn sie selber performativ ist und Widersprüchliches in sich aufnimmt.
Heuer freuen sich 15 Architektinnen und Architekten sowie zwei assoziierte Mitglieder über die Neuaufnahme in den BSA.
Der «Schmetterlingsgrundriss» ist keine Erfindung des Zürcher Wohnungsbaus. Daniel Kurz bespricht zwei bedeutende Publikationen über Organische Wohnbauarchitektur zwischen 1920 und 1950. Jenny Keller sagt kurz und bündig, wie preiswerter Wohnungsbau funktioniert – und warum man Tibor Joanellys neues Buch über Kazuo Shinohara lesen sollte.
Sergison & Bates zeigen aktuelle Arbeiten im Museum Bellpark Kriens, und das Collegium Helveticum stellt in der Semper-Sternwarte der ETH Zürich die Architektur von Datacenters zur Diskussion.
Ein theatralischer Kulturraum in der Lokomotivfabrik: Civic Architects richteten in Tilburg in den südlichen Niederlanden eine öffentliche Bibliothek ein. Die LocHal ist ein neues Zentrum für Wissensfunde und Begegnungen.