Hamburgs neues Wahrzeichen war im Grunde schon Teil des imaginären Stadtbildes, seit 2003 die ersten Skizzen den Verantwortlichen den Kopf verdrehten. Seither hat die Hamburger Politik diesem Projekt die Treue gehalten und seine Realisierung allen Anfeindungen zum Trotz durchgezogen. Kritik gab es genug, als der Bau wie ein heimgebrachtes kleines Krokodil in der Badewanne immer enormere, schliesslich bedrohliche Ausmasse annahm. Schon kurz vor der Eröffnung machte die Häme jedoch restloser Begeisterung Platz – wo hat zeitgenössische Architektur je eine solche Umarmung erlebt? Die Kosten sind bereits jetzt nur noch eine Randnotiz der Geschichte. Hamburg feiert mit der Elbphilharmonie sich selbst und seinen eigenen Mut. Entstanden ist ein öffentlicher Bau, der die Widersprüche der Gesellschaft nicht kittet, aber auch nicht verhüllt.
Nach einem spektakulären Planungs- und Bauprozess zieht unser langjähriger Korrespondent aus Hamburg Bilanz. Eine Skizze von Jacques Herzog brachte einst Wind in die Segel für die wagemutige Idee, auf den alten Kaispeicher ein Konzerthaus zu stemmen. Mit den ersten Bildern des Entwurfs im Jahr 2003 brach eine Euphorie aus, die Politik und Bürger gleichermassen verzauberte, wie kaum ein Projekt in der jüngeren Geschichte. Die Enttäuschung folgte auf dem Fusse, mit einem Baustopp als Tiefpunkt und einer Hinterlassenschaft von 789 Millionen Euro Baukosten. Wie kam es, dass der Kater nun doch dem Stolz gewichen ist?
Es ist fast alles gesagt, nur noch nicht von allen. Und jetzt kommen auch noch wir. Weil im schnelllebigen News-Geschäft wenig Zeit für die Reflektion bleibt, haben wir den Bau erneut besucht, um ihn einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, die im Rausch der Ereignisse so nicht möglich schien. Dabei schauten wir vor allem auf die Alltagstauglichkeit der Ikone.
Die Schlüsselstelle der Elbphilharmonie bildet unbestritten die Plaza, ein öffentlich zugängliches Plateau, 37 Meter über der Elbe. Hinauf darf jeder. Sie ist das Pfand für die enorme Schuldenlast auf den Schultern der Hamburger Steuerzahler. Schon deshalb ist ihre Öffentlichkeit viel gepriesen. Doch wirklich zu bezaubern weiss die Elbphilharmonie vor allem mit der Aussicht aus den Foyers der Etagen hoch über der Plaza, die den Konzertbesuchern vorbehalten sind. Hier spielt die Musik, denn hier rückt Hamburgs Stadtkern zwischen Alster und Elbe in den Blick.
Die Elbphilharmonie ist mehr als nur ein Gebäude in den Fluten der Elbe. Ihr symbolischer Überbau schlägt Wellen. Die Soziologin Heike Delitz macht sich Gedanken über den gesellschaftlichen Wert des Baus und das, was seine Ästhetik für unsere Gesellschaft verkörpert. Architektur wirkt als Produkt einer Gesellschaft auch wieder auf sie zurück. Was macht die Elphi aus uns?
Von Anbeginn begleitete der Fotograf Oliver Heissner die Bauarbeiten an der Elbe und rückte die teilweise zyklopischen Bauteile und dramatischen Vorgänge ins Bild. Klarheit in die komplexe Struktur bringen die Visualisierungen von Schnetzer Puskas Ingenieure, welche die Fotos und den anschliessenden Textbeitrag erläutern.
Leicht und frei schwebt der Glaskörper der Elbphilharmonie über dem massigen Speicher aus Backstein. Die scharfe Naht über dem Sockel suggeriert Schwerelosigkeit. Die Realisierung dieses Phänomens war bautechnisch ein Kraftakt – nicht anders als die Verwirklichung des organisch geformten und akustisch isolierten Konzertsaals hoch über der Elbe.
Die Einordnung neuer Bauten ins historische Siedlungsgefüge ist eine gute Sache – aber kein Freipass für das Abbrechen des echten Alten. Das Ortsbildinventar ISOS sollte ernster genommen werden – nicht nur als Hinweis, den es in allgemeiner Form zu «berücksichtigen» gilt.
Bei der Umsetzung der vom RPG geforderten Mehrwertabgabe übertreffen sich die Kantone in Minimalismus. Dass diese auch ein Planungsinstrument zur Stadtverbesserung sein könnte, das auch den zahlenden Bauherren sehr viel bringt, zeigt dagegen seit 40 Jahren die Praxis von Basel-Stadt.
Wie entstehen Symbole in der Architektur, was eigentlich lässt Form entstehen? Natürlich: Das Soziale! Silke Steets’ Buch wirft Licht auf bisher undeutliche Zusammenhänge.
In Biasca ist charaktervolle Nachkriegsarchitektur ausgestellt, deren Inspiration von amerikanischen Vorbildern ausging, während in Chur ganz sinnlich und haptisch das fotografische Werk von Hans Danuser in einer grossen Werkschau gefeiert wird.
Ist Normcore Mode, Lifestyle, oder bloss eine Seifenblase? Während der Trend in der Mode gerade ausläuft, scheint er in der Architektur seinen Siegeszug erst anzutreten. Individualismus ist so was von gestern. Kolumne online lesen
Das Pariser Büro Bruther um Stéphanie Bru und Alexandre Thériot hat mit technoiden Bauten auf sich aufmerksam gemacht. Ihr spektakulärer Modernismus entpuppt sich bei genauem Hinsehen als eine realistische Recherche nach der Performance eines Gebäudes und nach einem präzisen Einsatz der Mittel.
Vor etwas mehr als einem Jahr ist Claude Parent (1923 – 2016) verstorben. Der schillernde Architekt galt nicht nur als Grandseigneur der Nachmoderne in Frankreich, sondern auch als streitbarer Tausendsassa und konzeptioneller Einflüsterer europäischer Architektur der letzten 30 Jahre.